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Tories in Hochform

■ Parteitag mit Rechtsruck beendet

Dublin (taz) – Der britische Premierminister John Major ist noch einmal glimpflich davongekommen: Es gelang ihm auf dem Tory- Parteitag in Blackpool, die Risse in der Partei zu übertünchen. Dafür wurde er mit minutenlangen Ovationen gefeiert. Der Empfang für seine Vorgängerin Margaret Thatcher am Donnerstag war merklich kühler ausgefallen.

Major bekräftigte in seiner blassen Abschlußrede gestern nachmittag noch einmal den starken Rechtsruck, der sich im Laufe der Woche bereits abgezeichnet hatte. Er faßte das Maßnahmepaket gegen steigende Kriminalität zusammen, das sein Innenminister Michael Howard am Vortag angekündigt hatte. „Wir müssen der Polizei die Handschellen abnehmen und sie statt dessen den Kriminellen anlegen“, hatte Howard gesagt, der dem rechten Parteiflügel angehört. Wichtigster Punkt: Die Abschaffung des Rechts auf Aussageverweigerung. Wer in Zukunft beim Verhör schweigt, ist automatisch schuldig. Weiter will Howard die Freilassung von Angeklagten gegen Kaution erschweren, die Höchststrafe für jugendliche Straftäter verdoppeln und die Polizei dazu ermächtigen, von sämtlichen Verurteilten einen „genetischen Fingerabdruck“ zu speichern. Da die Zahl der Gefangenen durch diese Maßnahmen steigen wird und die Gefängnisse ohnehin überbelegt sind, will Howard den Bau von sechs weiteren Knästen bei Privatfirmen in Auftrag geben.

Der frühere Premierminister Edward Heath war der einzige, der in dem Konferenzsaal in Blackpool einen kühlen Kopf behielt. Während verschiedene Delegierte von der Bühne aus die Wiedereinführung der Todesstrafe und der öffentlichen Auspeitschung forderten, sagte Heath: „Der Innenminister hat überhaupt nichts dazu gesagt, wie Verbrechen verhindert werden können. Man gewinnt nicht die Unterstützung der Bevölkerung zurück, indem man den Leuten auf dem Parteitag nach dem Mund redet.“ Doch auf Howards Abschußliste stehen noch mehr demokratische Grundrechte: Er dachte laut darüber nach, die Rechte der Verteidigung vor Gericht zu beschneiden sowie bei vielen Prozessen die Geschworenen abzuschaffen – das Recht auf Geschworene wurde 1215 in der Magna Charta verankert.

Unterstützung erhielt Howard von Sozialminister Peter Lilley. Großbritanniens soziale Probleme beruhten nicht auf mangelnder Finanzierung des Wohlfahrtsstaates, sagte Lilley, sondern auf dem Zusammenbruch moralischer Disziplin. Deshalb sollen alleinstehende Mütter in Zukunft kein Recht auf Sozialbauwohnungen mehr haben. „Wiederholungstäterinnen“ könnten ab dem zweiten oder dritten Kind gar den Anspruch auf finanzielle Unterstützung verlieren.

Lilley schreckte auch vor ausländerfeindlichen Tönen nicht zurück. Um zu illustrieren, daß Einwanderer aus ärmeren EG-Staaten angeblich das britische Sozialsystem mißbrauchen, sagte er: „Mio bambino e in Italia – das bedeutet: Schickt das Kindergeld an meine Familie in Italien.“ Lilleys Worte lösten große Heiterkeit unter den Delegierten aus. Ralf Sotscheck

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