: BCCI-Skandal: Milde Strafe
Erstes Urteil gegen Finanzmanager der Geldwäsche- und Pleiten-Bank BCCI gefällt / Richterschelte von Anwälten und Gläubigern ■ Aus London Ralf Sotscheck
22 Monate nach dem betrügerischen Bankrott der „Bank of Credit and Commerce International“ (BCCI), der ehemals siebtgrößten Privatbank der Welt, ist das erste Urteil gefällt: Syed Akbar ist zu sechs Jahren Haft verurteilt worden. Der 49jährige Direktor der Vemögensverwaltung der Londoner BCCI-Niederlassung hat zwischen 1983 und 1986 systematisch die Bilanzen gefälscht. Durch die Vertuschung der Verluste konnte sich die längst bankrotte Bank noch jahrelang über Wasser halten. Die KundInnen sind um 13 Milliarden Pfund geprellt: die größte Bankpleite der Geschichte.
Die Bank hatte mit ihren Filialen in 69 Ländern Geld aus Drogengeschäften des panamaischen Diktators Manuel Noriega gewaschen, war in verbotene Insidergeschäfte, in Waffenhandel und in die Finanzierung der Atombombenprogramme Pakistans und des Irak verwickelt. Terror-Organisationen und Waffenhändler unterhielten allein in London 42 Konten, der palästinensische Terrorist Abu Nidal besuchte mit Wissen des britischen Geheimdienstes MI-5 die Londoner BCCI-Geschäftsstelle. Über sein Konto sind 26 Millionen Dollar zur Finanzierung von Terroraktionen in Europa geflossen. Faule Kredite an eine pakistanische Schiffahrtsgesellschaft veranlaßten schließlich die Bank von England als Aufsichtsbehörde, BCCI am 5. Juli 1991 zu schließen. Die beiden deutschen Filialen in Hamburg und Frankfurt wurden drei Tage später dichtgemacht. BCCI hatte versucht, das Loch, das die Vergabe von 15 Milliarden Dollar in die Bilanz gerissen hatte, mit dem Geld kleiner Anleger und mit Hilfe von Luftbuchungen durch das Filialnetz zu vertuschen. Doch das mißlang.
Die Bank von England soll bereits seit Anfang 1990 von den finanziellen Schwierigkeiten, in denen BCCI steckte, gewußt haben. Man habe jedoch keine ausreichenden Beweise für einen großangelegten Betrug gehabt, sagte ein Sprecher der Zentralbank. So sei man lediglich übereingekommen, daß BCCI ihr Management auswechseln und sich um neue Investoren bemühen müsse. Richter Scott ließ das Versagen der Aufsichtsbehörden jedoch nicht als Entlastung für Sayed Akbar, den er als „Chefingenieur des Betrugs“ bezeichnete, gelten. „Sie behaupten, wenn das Kontrollsystem funktioniert hätte“, fragte der Richter, „dann wären Sie mit Ihrem kriminellen Tun nicht durchgekommen? Ich glaube, dieser Aspekt nützt ihnen nicht viel.“
Ein anderer Aspekt erwies sich dagegen von erheblichem Vorteil: Wer sich „in Mega-Gerichtsprozessen, die mit enormen Kosten verbunden sind, schuldig bekennt, kann mit einem beachtlichen Nachlaß beim Urteil rechnen“, sagte Richter Scott. Er fügte hinzu, daß Akbar andernfalls eine Haftstrafe von zehn oder elf Jahren erwartet hätte. Scotts Äußerungen stellen nach Ansicht zahlreicher britischer Anwälten eine kaum verhohlene Drohung an die Verteidigung dar: Angeklagte werden es sich ab jetzt genau überlegen, ob sie auf „nicht schuldig“ plädieren.
Auch das Komitee der ehemaligen Angestellten und Kunden von BCCI ist über den Kuhhandel empört. Das Urteil sei „viel zu milde“, sagte Qaiser Malik, der Sprecher des Komitees. „Wo sind die 40 Millionen Pfund, um die sich Akbar persönlich bereichert hat? Wird er nach zwölf Monaten aus dem Gefängnis entlassen und zieht dann mit dem Geld auf die Bahamas?“
Von dem Geld fehlt bisher jede Spur. Nur Akbars Haus ist beschlagnahmt worden, seine Frau und seine vier Kinder leben in einer Sozialwohnung in Nordwest- London. Zwar ist es möglich, daß Akbar bei guter Führung im September nächsten Jahres wieder frei ist, da ihm die Untersuchungshaft – er wurde nach seiner Flucht in Frankreich festgenommen und nach 19 Monaten ausgeliefert — angerechnet wird, doch haben die USA bereits seine Auslieferung beantragt, um ihn dort wegen weiterer Betrügereien im Zusammenhang mit dem BCCI-Skandal vor ein Gericht zu stellen.
Im Januar beginnen in London drei weitere Prozesse gegen frühere BCCI-Angestellte. Und am kommenden Samstag beginnt in Abu Dhabi das Verfahren gegen 13 ehemalige BCCI-Geschäftsführer. Für die Geschädigten – neben verschiedenen Großbanken, staatlichen Behörden und Versicherungen verloren auch Kleinsparer und kleine Unternehmen viel Geld — ist das freilich kein Trost. Den Konkursverwaltern der Firma Touche Ross ist es bisher nicht gelungen, auch nur einen Bruchteil der verschwundenen Milliarden aufzutreiben. Inzwischen versucht die Firma, wenigstens die Schulden der BCCI-KreditkartenbesitzerInnen einzutreiben. Sie erhielten im vergangenen Monat per Post zwei Jahre alte Rechnungen. Der Gesamtbetrag wird jedoch nicht mal die Rechnung von Touche Ross decken: Die Konkursverwalter haben bis jetzt bereits 83 Millionen Pfund an Honoraren kassiert.
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