: Der Liebling der Leprösen
■ Diego Maradona verlor das erste Punktspiel mit seinem neuen Verein Newell's Old Boys und avancierte dennoch zu Argentiniens Hoffnungsträger für die WM
Berlin (taz) – „Eines der erinnerungswürdigsten Daten in der Geschichte des argentinischen Fußballs“, bejubelte die Zeitung La Nación den 10. Oktober 1993, jenen Tag, an dem Diego Armando Maradona zum erstenmal seit zwölf Jahren wieder ein Punktspiel der argentinischen Liga bestritten hatte. Zwar verlor der 33jährige mit seinen Newell's Old Boys im rappelvollen Stadion von Independiente Buenos Aires mit 1:3, doch auf Anhieb war der Heimkehrer der beste Spieler seiner nicht ganz kongenialen Mannschaft und gab auch die Vorlage zum einzigen Tor der alten Jungs aus Rosario.
Beeindruckende 13 Kilo hat der ballfertige Steakliebhaber in den letzten Wochen abgespeckt und ist inzwischen sogar schlanker als in seinem größten Jahr, als er 1986 mit Argentinien Weltmeister wurde. Wie schon bei seiner Präsentation am vergangenen Donnerstag in Rosario, wo er vor 40.000 begeisterten Zuschauern im Freundschaftsspiel gegen Emelec aus Ecuador ein wunderschönes Tor zum 1:0-Sieg schoß, zeigte sich Maradona spielerisch von seiner besten Seite, auch wenn ihn deutliche Konditionsmängel schwer nach Luft japsen ließen und zu mancher Verschnaufpause nötigten.
Vor allem scheint Maradona in der Heimat die Lust am Fußball wiedergewonnen zu haben, die ihm zuletzt in Neapel und Sevilla abhanden gekommen war. Raffinierte Pässe mit Hacken oder Brust, Fallrückzieher, Dribblings, Torschüsse und ein nimmermüdes Mundwerk ließen nicht nur die leprosos in Verzückung geraten, die Fans der Old Boys, die so genannt werden, weil ihr Klub vor vielen Jahren einmal ein Benefizspiel für Leprakranke absolvierte, was der Lokalrivale Central verweigert hatte. Dessen Anhänger bekamen daraufhin den Namen canallas verliehen.
„Der König ist wieder da“, jubelte Pagina 12 nach dem Match gegen Emelec, das live im Fernsehen übertragen wurde. Ganz Argentinien hofft nun darauf, daß der König auch bei den Ausscheidungsspielen gegen Australien am 31. Oktober und 17. November wieder da sein und den Weg zur WM 1994 in den USA ebnen wird. „Ich will noch einige Partien spielen, um zu sehen, wie ich wirklich drauf bin, bevor ich zur Auswahl zurückkkehre“, dämpft Maradona selbst die Erwartungen, will sich jedoch bald mit Nationalcoach Alfio Basile treffen, um über sein Comeback zu beraten.
Begehrtestes Utensil nach dem Spiel gegen die Ecuadorianer war natürlich das Trikot des ruhmreich Auferstandenen mit der Nummer 10. Dies gab er jedoch nicht her, sondern schickte es an Fidel Castro, um einmal mehr seine Verbundenheit mit Kuba zu demonstrieren. Somit gibt es in Havanna nun zwei Trikots aus Rosario, dem Geburtsort Che Guevaras. Schon vor geraumer Zeit hatte „Central“ ein Hemdchen gen Kuba gesandt. „El Che“ nämlich war kein leproso, sondern eine canalla. Matti
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