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Kontaktscheue Kerle

■ Claus Vincons neues Schwulen-Stück „Der geile Günther“ läuft im Hamburger Schmidt-Theather

„Ich bin nicht betrunken, ich bin homosexuell!“ Günther Troessner hat eine entscheidende Erkenntnis gewonnen, und die will er allen mitteilen. Nur wie? Und wie kommt man nun ran an die Männer? Im Branchenbuch findet sich jedenfalls unter „homosexuell“ kein Eintrag. Der geile Günther, seit Dienstag auf der Bühne des Schmidt zu sehen, ist Claus Vincons Nachfolgestück von Männer im Park. Es spinnt die Geschichte des beamteten Hornbrillenträgers weiter, der jetzt endlich weiß, was er will: (schwule) Männer. Nun muß er sie nur noch finden. Zum Beispiel in einer „Herrenbar“, im Park oder im Schwulenzentrum.

Überall sind die Kerle jedoch entschieden merkwürdig, kontaktscheu oder pseudo-politisch, tuckig und tratschend, oder eben Klemmschwestern, die ihre Triebe im Dunkel der Nacht verstecken. Aber obwohl sie weder mit ihm Skatspielen noch Fußball gucken mögen, läßt Günther sich nicht entmutigen.

Über allem wacht die nichtsahnende Anneliese Dorelei, Troessners Sekretärin, die schon lange ein Auge auf ihren Chef geworfen hat. Ihre Telefonate mit einer Kollegin geben dem Neu-Schwulen unfreiwillige Lebenshilfe: Der Herr Horst aus der Materialausgabe des Amtes ist ebenfalls schwul. Ab jetzt wird eben jede Büroklammer einzeln dort abgeholt – der Beginn einer Behördenromanze.

Das Stück gibt einen liebevoll sarkastischen Einblick in einige Facetten der schwulen Welt. Claus Vincon, der in gewohnter Manier alle Rollen selber spielt, gibt den Figuren ein schauspielerisch überzeugendes Eigenleben, schildert sie verschmitzt und bisweilen mit einem verbitterten Unterton. Der Alleingang gelingt dem Parodisten mit Hilfe von dramaturgisch geschickten Rollenwechseln, Bandstimmen im Off, und einigen wenigen Kostümen. Der Kölner verbindet die Handlung durch Gesang, nicht gerade seine besondere Stärke. Nicht zu überhören ist, daß die Kompositionen aus der Feder des Hamburger Sängers Rainer Bielfeldt stammen, den man wie ein Flügel spielendes Phantom hinter der Bühne vermuten könnte.

Einsteiger ins schwule Leben erleben viele Riten und Verhaltensmuster als entschieden merkwürdig. Vincon zeigt sie auf, ohne abzuschrecken. Günther Troessner wird der geile Günther, allmählich und noch schreckhaft, wie ein angestaubter Beamter eben nur aus sich herauskommen kann. Natürlich geht alles gut. Es ist eine Mutmach-Geschichte für Coming-Outler – was kann den schon passieren, wenn man der Welt ehrlich sagt, wie man ist?

Werner Hinzpeter

Schmidt-Theater, bis 17.10.,

20 Uhr

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