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Wand und BodenManchmal ist alles ganz schön bunt

■ Kunst in Berlin jetzt: Cecilie Dahl, Amikam Toren, Christine Schlegel, Herb Alpert

Cecilie Dahl nennt ihre Ausstellung „Sweet Dreams“ und dreht damit die Geschichte um: Die strengen Seh-Maschinen, als die sich die Impressionisten verstanden, werden nachträglich als individuelles Glücksversprechen aufgearbeitet, das sich vorrangig trotz aller Theoreme auf den Leinwänden eines Cézanne oder Degas abgezeichnet haben soll. In Wirklichkeit trat die Maltechnik hinter dem Wunsch nach einem neuen Arkadien zurück. Dahl überführt die Reisebilder der Franzosen nun in einen Kontext, der sich durch den Ort der Galerie definiert, und nicht im Gefühl einer traumhaften Fremde.

Aus verschiedenen Bildern jener Epoche hat Dahl etwa acht Zentimeter schmale Streifen kopiert und die Ausschnitte in drei Räumen installiert. Ein schwarzbezogenes Bett korrespondiert mit düsterer Landschaftsansicht, während von der nächsten Wand ein Augenpaar zurück auf die Ruhestatt blickt. Alles scheint sich miteinander räumlich zu verbinden. Im angrenzenden Zimmer bildet eine Skulptur aus Zuckerwürfeln die Galerie von der Tann nach, um das Modell hängen Bildexzerpte in warmen Rot- und Gelbtönen – die Schwere des Nordens (Cecilie Dahl ist gebürtige Norwegerin) wird durch südländische Leichtigkeit ergänzt. Allein die Idee ist bloße Assoziation, die ganze Situation basiert auf geschickt eingesetzten Übertragungen, die sich metonymisch abspielen: Noch im abstrakten Blau eines unscharfen Großbilddias will man das Meer erblicken. Vom impressionistischen Malen, was das Auge sieht, ist auf den Reisen Cecilie Dahls nichts mehr zu erkennen.

Bis 26.11., Liebensteinstraße 4; in Berlin-Dahlem; Di-Fr 12.30-18 Uhr.

Auch der britische Maler Amikam Toren arbeitet mit Zitaten historischer Genres, um Wahrnehmung gegen Rhetorik auszutricksen. Als Ausgangsmaterial nimmt er Landschaften unbekannter Künstler des 19. Jahrhunderts und schneidet in die Leinwand Graffiti und Sprüche hinein, die er auf der Straße aufgeschnappt hat. Einer kleinformatigen Flußidylle ist hinterlistig „kind of a noise“ eingeschrieben, das „speak to me“ am Waldesrand wird Kommentar zu der Trennung von Kunst und Leben. Dagegen löst „inseparable in the life of experience“ die Widersprüche am Beispiel eines Stilleben mit Rosen auf – der sprachliche Ausdruck bleibt Sieger über den Bildgehalt.

Anders als bei den „Armchair paintings“ weitet Toren in einem zweiten Schritt das Problem um die Zusammengehörigkeit von konträr verwendeten Zeichen nicht aus, sondern versucht sich an deren Bündelung. Alle „Portraits“ sind durch die Wiederverwertung des Materials entstanden, ohne den Zusatz von Farbe. Toren hat dafür die herausgetrennten Leinwandfetzen zu winzigen Flusen zerstoßen und die Reste mit Leim zu einem zähflüssigen Brei angerührt, den er auf die unbeschädigte Leinwandhälfte aufträgt. Der so jeweils ausgeschnitte Satz findet seine Bedeutung im Materialbild wieder – und das textuell beschriebene „portrait of the artist as black and white“ wird als sprachliches Supplement nachgereicht. Nichts geht bei dieser Minimal-Material-Art verloren. Neben einem humorvollen Umgang mit der Ökonomie zeigt sich dabei das Ying und Yang der Produktion: Gleichzeitig Natur und Kunst zu schützen.

Bis 30.10., Galerie Carstens; Regensburger Straße 25; Di-Fr 10.30-13.00 Uhr /14.30-19.00 Uhr, Sa 10.30-14.00 Uhr.

Von Christine Schlegel wird gleich der komplette Schaffensprozeß jenseits des Marktes neu angesiedelt. Seit dem 27. September hat sie ihren Arbeits- und Lebensraum vollständig in die Galerie O zwei verlegt, um „von der Isolation der Menschen voneinander“ wegzukommen. Andererseits hatte die permanente Anwesenheit auch symbolische Funktion: Ateliermangel und der allgemeine Wohnungsnotstand in der Stadt zwingen die Künstlerin zur Preisgabe ihres Lebens im öffentlichen Raum.

Ab 12 Uhr mittags stand die Galerie in den letzten zwei Wochen Anwohnern und Künstlern zum gegenseitigen Kennenlernen zur Verfügung. Im Anschluß daran hat Christine Schlegel mit einigen eingeladenen Kollegen und Kolleginnen an Gemeinschaftsbildern oder -skulpturen gearbeitet. Daß die Kollaboration schon allein produktionstechnisch nicht ohne Schwierigkeiten ablief, wird an der Auswahl deutlich: Neben Strawaldes massiger und ornamentaler Malerei blieben die feinen geschichteten Farbübergänge von Schlegel praktisch ohne Wirkung, den flächendeckenden Maler Thomas Hartmann mußte sie im letzten Moment bremsen, bevor er die Leinwand für ihn typisch mit grauer Farbe überzogen hätte. Dagegen ergab sich im Zusammenspiel mit A.R. Penck sehr schnell eine aufeinander abgestimmte Zeichenkette, die nahe am Automatismus der Surrealisten den in seiner außergewöhnlichen Dialogform festgehalten hat: von Menstruationssymbolen bis zur dunkelrot aufgehenden Sonne – Penck wollte nämlich abends unbedingt japanisch essen gehen.

Bis 24.10., Oderberger Straße 2, täglich 14-19 Uhr.

Apropos Penck, Osten und Reisefieber: Die Galerie Frank Hänel ist von Frankfurt nach Berlin in die Stargarder Straße 18 gezogen, und damit auch das Künstlerprogramm von Jörg Immendorff bis Georg Baselitz, inklusive A.R. Penck. Momentan stellt allerdings kein großer Wilder aus, sondern der amerikanische Evergreen- Trompeter Herb Alpert, dessen Tijuana-Brass-Sound zum guten Ton der sechziger Jahre gehörte. Malerisch hat sich Alpert dagegen nicht an der sportlichen Mittelklasse orientiert, sondern viel von der Farb- und Formgebung der späten Expressionisten abgeguckt. Am Ende kommt aber doch immer wieder der Popmusiker in ihm durch. Alpert harmonisiert selbst im Freestyle, flirrende Übergänge von blaßem Grün zu sattem Pink werden ausgewischt, scharfe Konturen wegaquarelliert und hervorstechende figürliche Momente abgerundet. Manchmal ist alles ganz schön bunt.

Der abstrakte Portraitkopf „Ceo“ wurde dem zwischen Hippie-Phantasien und Nixon-Allianz swingenden Pop-Artisten Peter Max nachempfunden, leuchtendes Orange mit sattem Bordeauxrot ineinandergespachtelt. Wo Don Van Vliet aka Captain Beefheart seinen Überhang an Wahnsinn auf der Leinwand austrägt, betont Herb Alpert unerschütterliche Ausgeglichenheit: freundlich psychedelische Kuller als Lebenswerk eines Vollzeit- Bohemes. Nur während des Golfkriegs sollen Alperts Bilder ein wenig trist ausgefallen sein, jetzt ist er wieder zuversichtlich: Easy Paintings, passend zur Musik.

Recent Paintings, bis 30.10.; Di-Fr 12.30-18.30 Uhr; Sa 11-14 Uhr. Harald Fricke

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