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Ein Schlüssel für die Queen

Zypern: Nationalisten gegen den Besuch der Königin  ■ Aus Nikosia Klaus Hillenbrand

Ein Schlüssel hat auf Zypern heftige Kontroversen ausgelöst. Schulkinder demonstrieren, ein Mann trat in den Hungerstreik, sämtliche Parteiführer finden mahnende Worte, der Erzbischof, der Außenminister und selbst der Präsident der Republik gaben gleich mehrfach Erklärungen ab. Der Schlüssel ist kein simpler Türschließer, sondern der goldene Stadtschlüssel der Hauptstadt Nikosia. Die Empfängerin ist nicht irgendwer, sondern die Königin des Vereinigten Königreichs und Oberhaupt des Commonwealth, Queen Elizabeth II. Darf die Queen den Schlüssel bekommen?

Sie darf nicht, meinen die progriechischen Nationalisten. Unversöhnlich verweisen sie auf neun Todesurteile gegen Mitglieder der EOKA-Guerilla, die in den fünfziger Jahren für den Anschluß Zyperns an Griechenland und gegen die damalige Kolonialmacht Großbritannien gekämpft hat. Königin Elizabeth hat diese Todesurteile damals, vor fast vierzig Jahren, bestätigt. „Mörder-Königin“ tituliert sie deshalb Christos Andreou, der auf dem Eleftheria-Platz im Herzen Nikosias einen einsamen Hungerstreik durchficht. „Zypern ist griechisch, alle anderen raus!“ Solche Sprüche tragen nicht eben zu einer Verbesserung des Klimas zwischen griechischen und türkischen Zyprioten bei. Aber auch Hunderte junger SchülerInnen haben im Geist eines derzeit wieder auflebenden Nationalismus gegen die Queen protestiert.

Dabei hatte Bürgermeister Lellos Demetriades die Schlüsselübergabe nur als eine Geste der Gastfreundschaft vorangetrieben. Doch schon im Stadtrat gab es Ärger: Dort stimmten ausgerechnet die linken Parteien gegen den symbolischen Akt, mit der Begründung, Großbritanniens Politik sei nicht zypernfreundlich genug. Jetzt steht den Politikern der Angstschweiß im Gesicht. Was, wenn, wie schon angekündigt, die heute beginnende Queen-Visite – immerhin der erste Besuch eines britischen Staatsoberhaupts seit Richard Löwenherz im Jahre 1191 – von antiroyalen Demonstrationen begleitet wird? Werden die rund eine Million britische Touristen, die das Eiland jährlich besuchen, künftig nach Malta umbuchen?

Dabei hatte man die am Donnerstag beginnende Commonwealth-Konferenz, eigentlicher Anlaß der Queen-Reise, als Mittel angesehen, um der Medienöffentlichkeit die Besetzung Nordzyperns durch türkische Truppen in Erinnerung zu rufen. Sechs Millionen Zypern-Pfund, umgerechnet mehr als 18 Millionen Mark, läßt sich die kleine Insel das Ereignis kosten. Schon jetzt prangt an jeder Autobahnbrücke der Hinweis, wie sehr man die 600 Delegierten aus 48 Staaten willkommen heißt. Darunter befinden sich allein 43 Regierungschefs. Mehr als 500 ausländische Journalisten werden erwartet, 2.000 Polizisten bewachen die alle vier Jahre abgehaltene Show, von der inhaltlich nichts Wesentliches zu erwarten ist. Eine „humanitäre Weltordnung“ wollen die Delegierten des Ex-Empires vor allem diskutieren. Unverbindlichkeiten also.

In den letzten Tagen hat Präsident Clerides mehrfach um Respekt für die Königin gebeten. „Ich meine, daß jede Aktion, die das Ziel verfolgt, die Gegnerschaft zu der Anwesenheit von Königin Elizabeth zum Ausdruck zu bringen, unserer nationalen Sache schadet“, so der konservative Staatschef über die Minderheit nationalistisch gesinnter Landsleute. Schon werden die kritischen Artikel in der britischen Presse gezählt. Inzwischen hat sich auch der Stadtrat der Hafenstadt Limassol, in der die Commonwealth-Konferenz abgehalten wird, über ihren Schlüssel zerstritten.

Den Nationalisten geht es wohl weniger um die Queen selbst. Sie haben mit ihren Protesten eine wirkungsvolle Plattform gefunden, um gegen die geplante Bundesrepublik Zypern, bestehend aus griechischen und türkischen Zyprioten, zu Felde zu ziehen. Ihre Anknüpfung an die alte EOKA-Guerilla der fünfziger Jahre bietet sich dabei an, war diese Gruppe doch explizit gegen ein unabhängiges Zypern und für den Anschluß an „Mutter“ Griechenland eingestellt. Wie defensiv große Teile der hiesigen Öffentlichkeit und der Politiker mit dieser Vergangenheit umgehen, zeigt sich darin, daß das Wirken dieser konservativen Guerillatruppe, die linke Zyperngriechen ebenso wie türkische Zyprioten auf dem Gewissen hat, kaum zur Diskussion steht.

Morgen soll es soweit sein. Dann will Nikosias Bürgermeister den Schlüssel der Queen übergeben. Der Ort des Geschehens ist mit Bedacht gewählt: Am historischen Famagusta-Tor der Altstadt hißten britische Soldaten im Juli 1878 als Zeichen der Übernahme der Insel durch das Vereinigte Königreich den Union Jack.

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