taz-Serie: Rot-Grün - (K)eine Perspektive für Hamburg?: Planungsinstrumente endlich nutzen
■ Hans-Joachim Spitzenberger, Geschäftsführer des Naturschutzbundes in Hamburg
Das Wahlergebnis vom 19.9. mit den daraus resultierenden möglichen und unmöglichen politischen Konstellationen in der kommenden Legislaturperiode hat zu ungehemmten Spekulationen und noch mehr Polemik Anlaß gegeben. Insbesondere bei der Diskussion um eine rot-grüne Koalition werden je nach Interessenlage und politischer Couleur wahlweise ökonomische Schreckens-Szenarien oder der ultimative ökologische Umbau der Gesellschaft beschworen.
Sachliche und nüchterne Überlegungen treten dabei allemal in den Hintergrund, wenn sie nicht gar ganz vernachlässigt werden. Vergessen wird auch, daß in Hamburg ein völlig normaler demokratischer Prozeß abläuft, der nach dem Willen der Bevölkerung zu einer neuen, hoffentlich besseren, mindestens aber anderen Polkitk für Hamburg führen soll.
Wenn ich mir aber die politischen Aussagen der Parteien vor Augen führe, muß ich feststellen, daß eine andere und im Sinne des Naturschutzes, der Landschaftspflege und des Umweltschutzes und damit letztlich für die Menschen der Stadt bessere Politik derzeit nur mit der GAL gemacht werden kann. Insofern hat die rot-grüne Koalition eine Chance verdient.
Sie wird weder den wirtschaftlichen Untergang der Stadt herbeiführen noch Hamburg zu einer Insel der (ökologisch) Seligen machen. Zu beidem ist mehr nötig als der Verzicht auf Großprojekte wie die vierte Elbtunnelröhre oder auf die Nutzung von Altenwerder als Containerhafen. Dazu ist der Spielraum Hamburger Politik aufgrund bundesdeutscher und europäischer Rahmenbedingungen zu gering und bei weitem nicht so groß, wie mancher Politiker in der Hansestadt es gerne hätte.
Um so wichtiger ist die sinnvolle Nutzung der verbleibenden Handlungsmöglichkeiten. Vielleicht gelingt es ja einer rot-grünen Koalition, das Landschaftsprogramm, das wichtigste Planungsinstrument, über das die Stadt verfügt, zu nutzen – wenn sie es denn hätte! Immerhin schmort es seit 1990 in den Schubladen. Damit wäre den Stadt- und Landschaftsplanern endlich die Möglichkeit gegeben, die längst überfällige und landesweite Stadtentwicklung durchzuführen, die sowohl den berechtigten Wünschen nach Wohnraum als auch den ebenso berechtigten Forderungen nach Erhaltung der verbliebenen Grünbereiche Hamburgs gerecht wird.
Vielleicht gelingt es auch, den Einstieg in eine weniger umwelt- und menschenbelastende Verkehrspolitik zu finden. Und vielleicht gelingt es auch, den ökologischen Umbau der Wirtschaft in Gang zu setzen, der im Grundsatzprogramm der SPD immerhin seit Jahren enthalten ist. Doch dies führt schon wieder in den Bereich der Spekulationen und Visionen, und dazu besteht in der jetzigen Situation kein Anlaß.
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