■ Schwedens neue Geheimwaffe gegen Wildunfälle: Wenn der Wolf pinkelt...
Stockholm (taz) – Wenn der Wolf pinkelt, breitet sich Schrecken im Wald aus. Muß das mangelhaft entwickelte Riechorgan der Gattung Homo sapiens unmittelbar an die Duftquelle gehalten werden, um Witterung aufzunehmen, werden alle anderen Lebewesen, die normalerweise den Wald bevölkern, schon mehrere hundert Meter vorher erschreckt: vom Gestank und den Gefahren, die von diesem Tier möglicherweise für sie ausgehen. Doch nichts stinkt zu sehr, um nicht damit Geld verdienen zu können. Das ja bekanntlich auch nicht stinkt. Wolfsurin soll jedenfalls bald zu einem neuen schwedischen Exportprodukt werden. Wenn es nach dessen „Entdecker“, besser vielleicht „Erschnüffler“, geht, der auf einer technischen Messe in Stockholm sein neues Produkt in der vergangenen Woche vorstellte. Er, der pensionierte Grundschullehrer Gerhard Johansson aus der nordschwedischen Privinz Västerbotten, in der es tatsächlich wieder ein paar Wölfe gibt, die sich langsam, da geschützt, vermehren, hat Wolfspipi in kleine Ampullen abgefüllt. Diese Stinkbomben sollen, am Waldesrand aufgehängt, Elch, Hase, Reh und Dachs daran hindern, sich einer Straße auch nur zu nähern. Denn für sie stinkt es da wie die Pest. Die Ampullen geben den „Duft“ nach und nach ab, nach fünf Monaten ist der Effekt verflogen. Eine Straße so gegen Wildunfälle zu schützen, kostet etwa 1.000 DM pro Kilometer. Wildgatter aufzustellen, wie es bislang in Schweden an allen vielbefahrenen Straßen üblich ist, kostet das Acht- bis Zehnfache.
Im Winter soll im Rahmen eines ersten Großversuchs eine Strecke von etwa 200 Kilometern mit Wolfspipi präpariert werden. Was nicht bedeutet, daß Herr Johansson seine sauerverdiente Zeit als Pensionist nun damit verbringen muß, hinter Wölfen herzupirschen und zu warten, bis diese das Bein heben. Die ersten Urinproben wurden tatsächlich bei Wölfen, die in Wildparks leben, „gewonnen“. Eine genaue Untersuchung an der Universität von Umea ergab dann, daß der wildwirksame Gestank aus zwei der rund siebzig Substanzen, aus denen Wolfspipi im wesentlichen besteht, herrühren. Und diese beiden Substanzen konnten nach einjährigen Bemühungen synthetisch hergestellt werden. Welche beiden Substanzen es sind, ist Gerhard Johanssons streng gewahrtes Geschäftsgeheimnis.
Gewarnt seien deutsche UrlauberInnen, die ihre Sammlung an vermeintlich originellen Schwedensouvenirs aufstocken wollen. Wer sich neben dem abgeschraubten Wildwechsel-Schild mit dem schicken Elch und dem Glas mit Elchscheiße auch noch eine Ampulle Wolfspipi in den Hobbykeller hängen will, sollte dies wirklich nur tun, wenn er in Zukunft ohne seine Haustiere auskommen will. Hund und Katze werden nämlich auf Nimmerwiedersehen verschwinden.
Wie's tatsächlich stinkt? Ungefähr wie die älteste, noch filterlose Zellulosefabrik bei dichtem Nebel. Reinhard Wolff
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