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Heilige Kuh

■ In Hamburg soll der Ladenschluß erhalten bleiben   Von K. v. Appen

Wenn die Bonner CDU-FDP-Koalition das Ladenschlußgesetz kippt, werden in Hamburg die Geschäfte dennoch um 18.30 Uhr schließen - egal, was kommt. Grund: Ein Tarifvertrag bindet Einzelhändler und Gewerkschaften an den jetzigen Ladenschluß. Und nicht nur das. Einzelhandels-Sprecher Ulf Kalkmann: „Wir finden die ganze Diskussion völlig überflüssig und sind absolut dagegen. Längere Öffnungszeiten schaffen keine Arbeitsplätze, es wird auch nicht mehr gekauft.“

Immer wieder ist in den vergangenen Jahren der Ladenschluß von der Bundesregierung in Frage gestellt worden, wird versucht, die Öffentlichkeit für längere Ladenöffnungen zu mobilisieren. Vorbilder wie Frankreich und Spanien werden genannt, wo es möglich ist, bei sommerlichen Temperaturen bis in die Nacht beim Flanieren einzukaufen. Die USA werden aufgeführt, wo die Geschäfte rund um die Uhr geöffnet haben - wenn sie nicht gerade überfallen worden sind.

Doch derartige Modelle sind nicht übertragbar - da sind sich die Gewerkschaft Handel Banken und Versicherungen (HBV) und der Landesverband Einzelhandel einig. Kalkmann: „Was die Bundesregierung plant sind Basar-Methoden.“ Nach Auffassung Kalkmanns gehen längere Öffnungszeiten zu Lasten der mittelständischen Unternehmen. Das sieht HBV-Sprecher Ulli Meinecke auch so: „Es wird niemals flächendeckend bis 22 Uhr geöffnet sein.“ Die Folge: Die Läden mit schlechter Lage bleiben geschlossen, lediglich die Großzentren mit guter Lage werden sich die Spätöffnung leisten können.

Schon heute sei es so, ergänzt Kalkmann, daß am langen Donnerstag lediglich 15 Prozent der Geschäfte geöffnet haben. Ladenpassagen wie in Blankenese und Nienstedten seien nahezu ausgestorben. Meinecke: „Nur die Großen werden ihren Reibach machen.“ Kalkmann weiter: „Die Leute werden dann zum Einkaufen lange Fahrtwege in die Zentren in Kauf nehmen. Und das ist ökologischer Wahnsinn. Die Lebensqualität sinkt.“

Aber auch für Geschäfte und Kaufpaläste, die bei der Spätöffnung mitmachen werden, werde sich der spätere Ladenschluß, so Kalkmann, nur schwerlich rentieren: „Wir haben jetzt einen langen Donnerstag. Wenn die ganze Woche spät geöffnet ist, wird sich der Umsatz nur auf die ganze Woche verteilen.“ Kleinere Läden wären daher gezwungen, die höheren Kosten für den späteren Ladenschluß auf die Produkte aufzuschlagen. Für den Einzelhandelsverband reichten daher langer Donnerstag und langer Samstag völlig aus - zumal wenn die Öffnungszeit im Sommer bis 18 Uhr verlängert würde. Deshalb werde der Einzelhandelsverband auch an dem bis 1996 laufenden Tarifvertrag, in dem der Ladenschluß 18.30 Uhr festgeschrieben worden ist, festhalten.

Unter den 70.000 VerkäuferInnen in Hamburg dürfte dies Freude auslösen. Gerade für die unzähligen Frauen in dieser Branche, so die HBV, wären die Spätöffnungszeiten kaum mit der Familie zu vereinbaren. Alleinerziehende Frauen hätten nicht den Hauch einer Chance, ihre Kinder zu später Stunde unterzubringen. Viele VerkäuferInnen in kleinen Supermärkten hätten zudem Angst, gerade im Winter bei Finsternis bis spät in den Abend hinein im Laden zu stehen. Denn das Beispiel USA zeige, daß dies Überfälle provoziert.

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