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Sowetos Rose ist verblüht

Dingaan Thobela, Südafrikas geliebtes Box-Idol, verlor seinen Weltmeistertitel gegen ein vermeintlich harmloses Honigtierchen  ■ Aus Johannesburg Bartl Grill

Johannesburg (taz) – Wann hatte Cyril Ramaphosa das letzte Mal eine solche Bittermiene auf? Ja, genau: beim Sturm der Buren- Nazis auf den Multiparteienrat. Der ANC-Generalsekretär sieht Dingaan Thobela, den Unschlagbaren, benommen in den Seilen hängen. Dieser Orzubek Nazarov, einfach unglaublich! Zwölf Runden trieb er die „Rose von Soweto“ durch den Ring. Zweimal schickte er Dingaan auf die Matte. Und soeben nimmt er ihm den „Old Buck“ ab, den Gürtel des WBA-Weltmeisters im Leichtgewicht!

Daß die „Nacht der Wahrheit“ so ausgehen würde, damit hatte in Johannesburg niemand gerechnet. Und in Soweto schon gleich gar nicht. Wer war denn schon dieser Kerl aus dem fernen Sibirien? Na gut, er hatte 17 Profikämpfe gewonnen und keinen einzigen verloren. Aber im Programm wurde Nazarov, „The Sting“, als Honigtierchen abgebildet, das ungefähr so harmlos aussah wie der doofe Willi in der „Biene Maja“. Kein Problem, ihm den Stachel zu ziehen. Schließlich hatte Dingaan schon den kalifornischen Tiger Tony Lopez sauber aufgemischt. „Er wird gewinnen“, sagt Ramaphosa vor dem Kampf. Weil: „Er muß gewinnen!“ Feixend fügt er hinzu: „Alles andere wäre ein Rückschlag auf dem Weg in die Demokratie...“

Es kam, wie es nicht kommen durfte. Das Stärkste, was Dingaans Truppe in dieser Wahrheitsnacht bot, war die Show vor der Show. Aber die Bergleute, die zur Einstimmung eine Art Schuhplattler in Gummistiefeln boten, und der Medizinmann, der in ein riesiges Kuhhorn stieß, ließen Nazarov ziemlich unbeeindruckt. Die Biene brummte los wie eine russische Steppenhornisse. Und ab der fünften Runde nahm das Verhängnis seinen Lauf. Wie konnte das nur geschehen!? Die Fachwelt sagt, Dingaan habe die Videos über Nazarov nicht genau genug studiert. Dingaan leide unter „gewissen Zerwürfnissen“ in seinem Lager. Dingaan hätte seinen alten Promoter nicht aus dem Ring jagen sollen. Aber wahrscheinlich liegen die Dinge viel einfacher. Der Champion war in letzter Zeit zu oft auf Parties und zu selten am Punchingball. Der Titel, der Weltruhm, die Eitelkeit – das alte Boxerlied.

Solche Spekulationen interessieren den Bankangestellten Michael Fischer nicht. Der deutsche Kampfrichter, wohnhaft in Bankfurt, zeigt uns seinen Kontoauszug, pardon, seinen Punktezettel: 117 : 111 für Nazarov. „Eine klare Sache. Thobela konnte sich nie auf die Rechtsauslage seines Gegners einstellen. Außerdem war seine Kondition miserabel.“ Fischers Kollegen punkteten ähnlich eindeutig. Nur eine nicht: Patricia Jarman aus Las Vegas, die Thobela zum Sieger küren wollte. „Da sieht man mal wieder, daß Frauen am Boxring nichts zu suchen haben“, sagt Herr Fischer.

Was nützte es, daß den Herausforderer Nazarov am Ende ein Veilchen zierte, das ungefähr so groß war wie eine Pfingstrose? Dingaan Thobela, die leibhaftige Rose, stand geknickt daneben. Den black beauties lief die Schminke aus den Augen. Cyril Ramaphosa schlich von dannen. Und einem Sportreporter rutschte die Feder aus: „Eine Schande für Dingaan und sein Land!“ Der Entthronte entschuldigte sich bei den Jungs aus dem Township. Ihr Held, der sich aus der Armut herausgeboxt hatte, liegt im Staub. So lange sie denken können, lebte Thobela in Soweto. Als er Weltmeister wurde, zog er weg. Das hat er nun davon!

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