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UN-Soldaten in serbischem Bordell?

■ „Prostituierte“ wurden in serbischem Lager bei Sarajevo gefangengehalten / Neue kroatische Friedensinitiative

Sarajevo (wps/taz) – In Bosnien stationierte UN-Soldaten haben regelmäßig ein serbisches Bordell bei Sarajevo besucht, in dem muslimische und kroatische Frauen zur Prostitution gezwungen wurden. Gleichzeitig haben die Blauhelme eine offizielle Überprüfung dieses Lagers als „nicht zu ihrem Auftrag gehörend“ abgelehnt. Zu diesem Ergebnis kommt der Journalist Roy Gutman, nach einer sechsmonatigen Recherche hat er seinen Bericht am Montag in der New Yorker Zeitung Newsday veröffentlicht.

Bei seiner Darstellung stützt sich Gutman sowohl auf muslimische als auch auf serbische Zeugenaussagen. Demnach haben rund 50 UN-Soldaten aus Kanada, Neuseeland, Frankreich, der Ukraine und „einem afrikanischen Land“ zwischen Mai und November 1992 regelmäßig das Restaurant „Sonjas Kon Tiki“ besucht: „Sie kamen mehrmals die Woche, um zu Essen, zu trinken und fernzusehen. Und sie kamen auch wegen der Mädchen.“ Diese Mädchen seien in einem nur wenige Meter von dem Restaurant entfernt liegenden Lager festgehalten worden. Hier waren zwischen 80 und 100 meist muslimische Männer inhaftiert.

Aus dem Zeitungsbericht geht nicht hervor, ob sich die Soldaten darüber im klaren waren, daß die Frauen Gefangene der Serben waren. Es wurden jedoch UN-Soldaten zitiert, die ihre Unwissenheit über die „Ereignisse im Land“ mit fehlenden Kenntnissen der Landessprache zu entschuldigen versuchten. Und: Obwohl die bosnische Regierung die Leitung des UN-Kontingents in Sarajevo mehrmals auf die Existenz eines Lagers bei dem Restaurant aufmerksam gemacht hatte, seien keine Untersuchungskommission in das Lager geschickt, keine Berichte an die übergeordneten UN- Stellen gesandt worden. Erst nach Veröffentlichung des Zeitungsartikels hat die UNO angekündigt, den von Gutman erhobenen Vorwürfen nachzugehen. Der bosnische Un-Botschafter forderte die Veröffentlichung der Untersuchungsergebnisse. Sollten sich die Beschuldigungen bestätigten, müßten die Blauhelme vom „Internationalen Tribunal für Kriegsverbrechen in Jugoslawien“ verurteilt werden.

In der Nähe der norwegischen Hauptstadt Oslo haben am Montag abend Vertreter der kroatischen Regierung und der von Serben kontrollierten kroatischen Krajina Geheimverhandlungen über einen Waffenstillstand aufgenommen. In Oslo erwartet wurden nach Angaben der Belgrader Nachrichtenagentur Tanjug außerdem der serbische Präsident Milošević und Kroatiens Präsident Tudjman. Dies wurde vom norwegischen Außenministerium jedoch dementiert. Nach Angaben aus Genf soll dagegen der Jugoslawien-Vermittler der UNO, Thorwald Stoltenberg nach Oslo kommen. Auf eine neue Friedensinitiative weist auch hin, daß Tudjman am späten Dienstagnachmittag den Botschaftern des in Zagreb vertretenen diplomatischen Korps einen Plan zur Beendigung des Balkankrieges unterbreitete. Danach könnte schon innerhalb von 15 Tagen zwischen der kroatischen Regierung und den serbischen Machthabern in den besetzten Gebieten Kroatiens ein Waffenstillstandsabkommen unterzeichnet werden. Zagreb sei bereit, den kroatischen Serben feste Garantien für lokale und kulturelle Autonomie zu gewähren. Das Angebot gelte jedoch nur, solange die territoriale Integrität und Souveränität Kroatiens nicht in Frage gestellt werde. Die Krajina-Serben hatten dies bisher abgelehnt, da sie weiterhin einen von Kroatien unabhängigen Staat anstreben. her

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