: Kölibri statt Kiez-Kommerz
■ „Auch mal was Schönes“ für unseren Stadtteil: Die Gemeinwesenarbeit St. Pauli-Süd weiht neue Räume ein
Etwas getrübt sei die Freude bei der Eröffnung gewesen, erzählt GWA-Geschäftsführerin Sabine Stövesand. Wenn die Hafenstraße tatsächlich geräumt werden würde, würde allen im Stadtteil vom Senat signalisiert: „Egal wie gut ihr euch versteht, wir machen, was wir wollen“. Noch einen Tag vor der Eröffnung hätten Leute vom Hafen geholfen, als es galt, große Dübel für eine Leinwand zu installieren.
„GWA“, dahinter verbirgt sich „Gemeinwesenarbeit St. Pauli Süd“, ein Zentrum für stadtteilbezogene Kultur- und Sozialarbeit, das bereits seit 18 Jahren existiert. Gestern nun wurden nach zwei Jahren Renovierungsarbeit endlich die neuen Räume am Hein-Köllisch-Platz 12 eingeweiht.
„Kölibri“ heißt das neue Zentrum: ein insgesamt 400 Quadratmeter großer Ladenraum, in dem sich zu Beginn des Jahrhunderts ein Konfektionsgeschäft, während der Nazi-Zeit ein Wettbüro und der Ortsverband der NSDAP und zuletzt ein Möbelgeschäft befand.
Die Wände sind fünf Meter hoch und durch Säulen abgestützt. Der Stuck wurde von Mitarbeitern des ABM-Projekts „Arbeit & Lernen“ liebevoll renoviert. Die älteren Damen aus der Nachbarschaft wußten das zu schätzen: „Warum sollen wir in St. Pauli nicht auch mal was Schönes haben?!“ war der Kommentar einer Nachbarin, die in Volksküche erschienen war.
Das Cafe des Kölibri ist leider nicht wie ursprünglich geplant die ganze Woche über geöffnet. Die entsprechende Stelle sei nicht bewilligt worden, sagt Geschäftsführerin Stövesand. Was schade ist. Ein Stadtteilcafe wäre eine schöne Abrundung für den Hein-Köllisch-Platz, der durch die Kneipe „Geier“ und das Restaurant „Abendmahl“ in letzter Zeit an Charme und Anziehungskraft gewonnen hat. Aber zuviel von letzterem ist ja bekanntermaßen auch gar nicht so gut. Der GWA-Treff richte sich bewußt an die Bevölkerung vor Ort, damit für die auf St. Pauli „neben dem Kommerz auch noch was anderes gibt“, sagt Sabine Stövesand. So gibt es mittwochs von 16 bis 18 Uhr zum Beispiel einen Gesprächskreis für Frauen. Donnerstag abends gibt es ein Jugendcafe und montags von 14 bis 18 Uhr ein offenes Treffen für AfrikanerInnen. Da auf den Wohnschiffen viele minderjährige Flüchtlinge leben, so Stövesand, sei dies ein im Stadtteil dringend benötigtes Angebot. Das Veranstaltungs-Programm von „Kölibri“ ist breit gefächert. Von der Matinee mit klassischer Gitarrenmusik bis hin zum dadaistischen Theater ist allerhand dabei (siehe taz-Veranstaltungsteil). Ein Großteil der GWA-Arbeit findet jedoch in geschlossenen Gruppen statt, die nach einem längeren Exil in der Schule Friedrichstraße künftig in dem geräumigen Keller tagen können. kaj
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen