: SPD: Neues Spiel! Neues Glück?
■ Jetzt darf die Statt Partei wg. Koalition verhandeln / GAL: Katerstimmung und Erleichterung Von Sannah Koch
Wohin sollten sie sich nun wenden – die Scharen von Journalisten, die in den vergangenen Tagen vor rot-grünen Verhandlungssälen auf Erfolgs- oder Mißerfolgsmeldungen gelauert haben? Nachdem die Grünen am Mittwoch abend die Koalitionsgespräche mit der SPD für vorläufig gescheitert erklärt haben, herrschte gestern im Rathaus bei den Beteiligten, potentiell zu Beteiligenden und deren Beobachtern Orientierungslosigkeit. Am Abend gab die SPD vor: Sie will nun mit der Statt Partei verhandeln.
Die Grünen am Tag danach: Verschnupft die gescheiterte Verhandlungsführerin Krista Sager. Ganz ausschließen will sie immer noch nicht, daß man sich in einem „Reformbündnis“ finden könnte. Aber dazu müsse es aus der SPD ein „deutliches Signal“ geben, daß rot-grün „wirklich gewollt ist“. Da reiche kein halbherziges Symbol, über das man wieder in Verhandlungen einsteigen kann. Und mit einem Verhandlungsführer Voscherau habe es wohl gar keinen Zweck.
Im Büro gegenüber: GAL-Fraktionskollegin Anna Bruns. Kein Kater am Tag danach, sondern eine „große Erleichterung“ über den Abbruch der Verhandlung herrsche unter den Linken. An eine mögliche Wiederaufnahme der Gespräche, so Bruns, denken bei ihnen nun wirklich keiner mehr. „Das war ja nur noch ein Kadaver, an dem herumgenagt wurde. Der gehörte unter die Erde.“
Bei den verbliebenen, noch nicht durch Verhandlungen verschlissenen Fraktionen von Statt Partei und CDU begann gestern ein mehr oder weniger verstohlenes Winken – „Hallo, wir sind auch noch da“.
Das Hauptaugenmerk galt Markus Wegner und seiner Statt Partei. Der will der „SPD erst einmal ein paar Tage Bedenkzeit gönnen“. Glaubte aber schon am Morgen fest daran, daß man sich bald zu Gesprächen zusammenfinden werde. Nach wie vor betont Wegner jedoch, daß es mit ihnen keinen herkömmlichen Koalitionsvertrag geben werde. Aber möglicherweise einen „Zielkatalog“, in dem einige Essentials und der Zeitrahmen ihrer Umsetzung festgeschrieben werden könnte. Kopfzerbrechen dürfte den Sozialdemokraten weiterhin Wegners definitive Ansage bereiten, daß es für die Statt Partei keinen Fraktionszwang bei Abstimmungen geben werde. Allerdings, so Wegners Einschränkung, werde man es auch zu verhindern wissen, daß sich womöglich drei ihrer Abgeordneten gegen die Mehrheit in der Fraktion als ständige Mehrheitsbeschaffer für Voscherau betätigen.
CDU-Fraktionschef Ole von Beust winkte gestern auch ein bißchen. Eigentlich gegen besseres Wissen, wie er betonte. Denn nach seiner Einschätzung will der Bürgermeister gar keine Koalition mehr, sondern mit einem Minderheitensenat und wechselnden Mehrheiten weitermachen. Sollte die SPD aber dennoch wollen, werde man mit ihr über alle Formen von Bündnissen sprechen, so Beust.
Und obwohl GAL, CDU und Statt Partei lieber eine feste Regierungs-Bindung eingehen würden, sind sie sich für eine Weile auch als austauschbare Mehrheitsbeschaffer in der Bürgerschaft nicht zu schade. „Wir werden nicht gegen unsere inhaltliche Programmatik stimmen, nur um die SPD zu blockieren“, klang es gestern unisono.
Und die SPD? Die übte gestern in bewährter Manier den Schulterschluß der Bedrängten. Einmütig beschloß der Landesvorstand abends, mit der Statt Partei über eine Koalition zu verhandeln. Das Ergebnis soll Ende November einem Parteitag zur Abstimmung vorgelegt werden.
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