piwik no script img

Die Gravitationskraft eines Fußballs

■ Durch ein 3:0 gegen Eintracht Frankfurt macht HSV Meisterschaft spannend

Kräfte von gleicher Größe pflegen sich zu neutralisieren, wenn sie in entgegengesetzte Richtung wirken. Das ist bei der Zentrifugal- und bei der Gravitationskraft so, die Erde kullert schließlich nicht zügellos durchs Weltall, sondern kreist stetig um die Sonne und das ist bisweilen in sogenannten Spitzenspielen so. Wenn sie denn überhaupt existieren.

Brav und regelgerecht zirkulierte der Ball zunächst auch am Sonnabend um den Anstoßpunkt im Volksparkstadion, einträchtig angetrieben von Frankfurtern und Hamburgern. Eine Gleichförmigkeit, die die 54.500 Fans zu betäuben schien: kein Mucks war von der Masse zu hören. 0:0 stand es zur Wurst- und Klagepause, in der das Fehlen vom „Ivan“ und die vertane Gelegenheit, die Ex-Hamburger Furtok, Stein und Bein, die Überlegenheit des Verlorenen spüren zu lassen, betrauert wurden.

Linderung verschaffte den Klagenden Augustin Okocha, der ein unglücklicher Verteidiger ist und die Gleichmäßigkeit aus der Balance foulte. Drei Minuten nach Wiederanpfiff stieß der nigerianische Starstürmer sein Knie an das des im Strafraum befindlichen Karsten Bäron. Thomas von Heesen, rechtzeitig vom Straps-Schnuckelchen zurück zum Strafstoß-King mutiert, verwandelte den fälligen Elfer zum 1:0. Saisontreffer Nummer 14 gegen Uli Stein, den „Torwart von der Göttin Gnaden“ (Feministin Dr. Karin Walser in einem Brief an den Keeper).

Kräfte, das kam nun dem HSV zugute, sind additiv. Nicht schön aber stark lief demnach das Spiel der Rotweißen um ihren Spieler des Monats Yordan Letschkov, den man zur Zeit den Magier nennt. Nur zehn Minuten nach dem ersten unterlief „Jay-Ja y“ Okocha der zweite Fauxpas: der konsternierte 20jährige ließ sich von Jörg Albertz überlaufen, dessen Schuß Uli Stein auf den Fuß von Andreas Sassen faustete, welcher aus zehn Metern direkt draufknallte. 2:0, Tor Nummer fünfzehn gegen Uli. Wurde hier ein bißchen Sensation wahr? 100.000 Arme sinken schicksalhaft, sechsmal rotierten die dazugehörigen Körper in der Betonwanne, während sich unten das Tempo steigerte. Unterbrochen wurde die Euphorie lediglich durch den Bänderriss des Frankfurter Nationalmannschaftsanwärter Ralf Weber. Die Partie blieb bis zur Ecke von Harald Spörl so spannend, wie die Liga jetzt wieder ist. In der 74 Minute beförderte der Hamburger Mittelfelder direkt auf den Kopf von Karsten „Zocker-Spaghetti Bäron“, Treffer Nummer 14, 15 und 16 gegen Uli ausgerechnet in Hamburg, ungnädige Göttin nochmal! Die Heim-Equipe rundete die Begegnung durch fulminantes Kombinationskonterspiel ab.

„Am Ende konnten wir froh sein, daß die Hamburger den Sack nicht ganz zugemacht haben und noch mehr Tore geschossen haben“, kommentierte ein sanftmütiger Klaus Toppmöller den finalen Sturmlauf der Gastgeber.

Die Möglichkeiten schien auch Benno Möhlmann zu adddieren, als er mit einer Keckheit, die ihm nicht schlecht stand, sein gewohntes Understatement ablöste und formulierte: „Solange noch Luft nach oben ist, wollen wir mal sehen, wie weit wir kommen.“

Aufgepaßt Uli, hier meldet einer Konkurrenz um die Gnade der Göttin an.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen