■ Schmuddel-Macho Mickey Rourke im Ring:: „Boxen ist etwas Ehrliches“
Hamburg (taz) – Der alterslose B-Boy mit dem goldenen Schneidezahn versteckt sich. Ein dicker Ledermantel umhüllt seinen Luxus-Körper. 180 Fotografen und Reporter drängeln, fragen und blitzen auf ihn ein. Grund der Aufregung: Hollywood-Macho Mickey Rourke, 37 und höchstbezahlter Hobby-Boxer (180.000 Mark Gage), wird im Rahmen der Faustkampf-WM in Hamburg seinen sechsten Profikampf bestreiten. Gegen den New Yorker Nobody Thomas McCoy. Rourkes Chancen stehen dabei nicht schlecht. Vier Kämpfe gewann er durch technischen K.o., einer ging unentschieden aus. Doch Rourke ist nervös, und das zu Recht. Einen derartigen Presserummel kann er nur noch im Ausland bewirken, wo er immer noch als Superstar gilt. In den USA steht er nach diversen Filmflops auf der Abschußliste, und niemand gibt ihm das notwendige Kleingeld für sein Lieblingsprojekt, den Film über das Leben des IRA-Hungerstreik-Märtyrers Bobby Sands. Rourke beansprucht dabei Drehbuch, Regie und Hauptrolle für sich.
Also verdient das Rauhbein den Lenbensunterhalt für sich und seine Frau Carre Otis mit Prügeln. Dabei gibt sich Rourke ganz glücklich: „Boxen ist etwas Ehrliches, Direktes. Es ist so, als ob ich zu meinen Wurzeln zurückkehren würde.“ Tja, Back to the Roots – die liegen bei ihm, wie er immer wieder gern betont, in der Gosse. Der boxende Mime steht zu seiner Straßenvergangenheit, als sei er Mr. Grunge persönlich. „Ich habe nicht vergessen, aus welcher Schublade ich komme! Was wissen Typen wie Kevin Costner oder Sean Penn schon vom Leben. Sie haben keine Ahnung, was es heißt, sich monatelang nur von Chips und Schokolade zu ernähren. Weil sich das im Supermarkt am leichtesten klauen läßt.“ In der Tat, das klingt nach Lebenserfahrung. Die demonstriert Rourke auch bildlich per Tattoo: Ein grünes Kleeblatt – für die irische Abstammung – seine Initialien und die Glückszahl sieben trägt er zwischen Daumen und Zeigefinger der linken Hand. Dazu zieren indianische (ein Adler) und westliche (eine Harley) Kraftsymbole den kraftstrotzenden Halbschwergewichtler.
Obermacho Mickey will nun allen zeigen, wo's langgeht. Mit dem Herzen eines Boxers und verliebt in den Sandsack: „Boxen fordert jede Menge Disziplin. Es ist ein Sport für echte Männer.“ Rourke schindet sich vier Stunden täglich. Läuft, sprintet, stemmt Hanteln und nimmt Tangokurse. „Für den besseren Hüftschwung.“ Er trainiert im Hamburger Rotlichtbezirk, im Boxkeller „Ritze“, den er nur durch die Hintertür betritt. Denn vor dem Entrée, dekoriert von zwei Frauenschenkeln, wagt er nicht, sich blicken zu lassen. Obwohl er behauptet, daß Sex vor dem Kampf kein Problem für ihn sei: „Manche Boxer kotzen vor dem Kampf, andere spielen Fünf gegen Einen (will heißen: onanieren). Jeder bereitet sich so gut auf den Kampf vor, wie er nur kann.“ Nach der Pressekonferenz ließ er alle Termine platzen. Statt dessen gönnte er sich einen Jahrmarktbummel und das Abendessen bei einem Szene-Italiener, obwohl er mit 175 Pfund noch drei zuviel wiegt. Danach Kiezbummel und Tausch der 600er Mercedes Limo („das Scheißteil ist mir zu klein“) gegen einen Lincoln-Continental mit Glotze und Mini-Bar. Er fühlt sich als Star und weiß dabei genau, daß es unmöglich ist, Box-Champion zu werden. „Dafür bin ich schon zu alt.“
Heute um 21.55 Uhr, live auf Premiere, steigt er in die Seile. Als Anheizer. Veranstalter Klaus Peter Kohl: „Immerhin, Attest und Lizenz hat er ja. Und welcher Boxer träumt nicht davon, Mickey Rourke die Fresse zu polieren.“ Hella Körnich
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