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■ Die Ethik im SchlepptauLeben oder sterben

Als Kind hat der Gedanke an Nierentransplantationen oder Dialyse-Maschinen bei mir Abscheu hervorgerufen. Jahre später war ich selbst an solch eine Maschine angeschlossen – dreimal pro Woche für fünf Stunden. Ich hatte also genug Zeit, mich mit der Vorstellung einer Nierentransplantation anzufreunden und mich mit verschiedenen Fragwürdigkeiten des Organhandels auseinanderzusetzen. Organschacherer sind wie Geier: Für sie besteht die Welt aus Reichen mit schadhaften Körpern und Armen mit gesunden Organen, von denen sie ein paar entbehren können. Wenn ein Mensch aus einem Elendsviertel in Indien oder Ägypten eine Niere verkauft, um zu überleben, dann ist die Welt darüber entsetzt – jedoch keineswegs über die Armut, die ihn zum Verkauf gezwungen hat.

In fünf Jahren ist dieser Wirtschaftszweig vielleicht schon obsolet. Bis dahin sind vermutlich die Schwierigkeiten überwunden, die jetzt noch bei der Transplantation von Tierorganen in den Menschen bestehen. Während die Medizin ständig Fortschritte macht, hinken Ethik und Rechtsprechung immer hinterher.

In Tampa im US-Staat Florida ist die Zahl der Organspender innerhalb von drei Jahren um 50 Prozent angestiegen. Das liegt an einem neuen Gesetz, wonach die Bitte um Organspenden an die Verwandten eines Sterbenden gerichtet werden können. Gleichzeitig findet seit Verabschiedung des Gesetzes eine Werbekampagne statt. Dadurch ist die durchschnittliche Wartezeit auf eine Niere auf 92 Tage gesunken, während sie im Rest der USA nach wie vor 514 Tage beträgt.

Wenn wir den Mut hätten, ähnliche Gesetze zu verabschieden, könnten wir dem Organschwarzmarkt und seinen Auswüchsen vielleicht ein Ende bereiten. Andererseits wollen die meisten Menschen in einem Stück begraben werden, als ob sie glaubten, daß eine Leiche heilig sei. Wir sind gleichzeitig modern und primitiv: Wir sind dankbar für das, was Wissenschaft und Medizin leisten können, und haben Angst vor all dem, was unser Wissen und unsere Fähigkeiten in der Welt anrichten können. Dieser Antagonismus ist wunderbar bequem: Man freut sich an der Dialektik, weist auf den Horror hin – und tut nichts. Aber ein paar Menschen, die diese Seiten lesen, werden irgendwann eine Organtransplantation brauchen. Das wird bei ihnen die festen Überzeugungen erschüttern, so wie es bei mir passiert ist. Desmond Christy, London

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