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■ Das PortraitCaravaggios Bild

Es sei die „seit Jahrzehnten wichtigste Kunstentdeckung“, so behaupten die irischen Kunstexperten: Die Rede ist von dem 1602 entstandenen Gemälde „Die Gefangennahme Christi“, das vor kurzem in Dublin aufgetaucht und seit vorgestern in der irischen Nationalgalerie ausgestellt ist. Das Bild hat einen ähnlich abenteuerlichen Weg hinter sich wie sein Maler Caravaggio, der 1610 im Alter von 36 Jahren starb, nachdem er ständig wegen Schlägereien und Duellen Ärger mit den Behörden hatte und die letzten Jahre seines Lebens auf der Flucht vor der Polizei sowie vor professionellen Killern seiner Feinde verbrachte.

Caravaggio malte das Bild 1602 in Rom im Auftrag der Marchese Mattei. Zwei Jahrhunderte verblieb es im Besitz der Familie, bis es im Jahr 1802 an den schottischen Großgrundbesitzer Hamilton Ogilvie verkauft wurde, der wohl nichts von Caravaggios Urheberschaft wußte. Da der italienische Maler damals nicht besonders hoch im Kurs stand, hat die Mattei- Familie das Bild vermutlich als Honthorst ausgegeben.

„Die Gefangennahme Christi“ Foto: Reuter

1921 wurde Ogilvies Gemäldesammlung versteigert. Die Dubliner Kinderärztin Marie Lea-Wilson kaufte „Die Gefangennahme Christi“ für acht Guineas – acht Pfund und vierzig Pence –, für einen Caravaggio auch damals ein Spottpreis. Neun Jahre später schenkte die Ärztin das Gemälde dem berühmten Jesuitenpfarrer Tom Finlay, der es in dem Gebäude der Jesuiten in der Dubliner Leeson Street aufhängte. Dort würde es vermutlich immer noch unentdeckt an der Wand hängen, wenn die Jesuiten sich nicht an die Nationalgalerie gewandt hätten, um verschiedene Gemälde säubern und restaurieren zu lassen. Der Chefrestaurator der Nationalgalerie, Sergio Benedetti, erkannte das Gemälde sofort. Es zeigt Christus, der von Judas durch einen Kuß verraten und von behelmten Soldaten gefangengenommen wird. Die nächtliche Szene wird durch eine Laterne erhellt. Die Experten sind uneins, ob der Laternenträger am rechten Bildrand ein Selbstportrait Caravaggios ist.

Die Jesuiten haben der Nationalgalerie das Gemälde als ständige Leihgabe überlassen. Und die Iren feiern wieder: Die Nationalgalerie bietet für 20 Pfund (knapp 50 Mark) ein „Caravaggio-Symposium“ an, das abends nach den Vorträgen nahtlos in ein Gelage übergeht. Ralf Sotscheck

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