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Dinars, Schekel oder Pali-Dollars?

Das teilautonome Palästina sucht nicht nur eine neue Währung / Schwierige Wirtschaftsverhandlungen mit Israel begonnen  ■ Aus Jersusalem Klaus Hillenbrand

„Keine Kunden, kein Geschäft! Wie lange soll das so weitergehen?“ Ibrahim schimpft und deutet auf die Auslagen, wo sich die Bretter unter Jerusalem-Tellern, gekreuzigten Jesusfiguren und Keramik biegen. „Natürlich sind wir für das Abkommen zwischen Israel und der PLO. Aber es muß alles viel schneller gehen.“ Dabei hat Ibrahim wie die anderen Andenkenhändler in der Jersualemer Altstadt noch am wenigsten Grund zur Klage. Mit der Rahmenvereinbarung zwischen Palästinensern und dem Staat Israel verschwand auch der jahrelange tägliche Intifada-Streik ab 14 Uhr, dem sich die Händler in der Via Dolorosa und anderswo nur mit Widerwillen angeschlossen hatten. Und natürlich kommen jetzt auch mehr ausländische Touristen.

Andere möchten Ibrahims Sorgen haben. In Westbank und Gaza-Streifen liegt die Arbeitslosenquote bei geschätzten 30 bis 50 Prozent. Das Bruttosozialprodukt dürfte rund zwei Milliarden Dollar jährlich betragen, das durchschnittliche Jahreseinkommen liegt bei rund 1.700 Dollar – gegenüber 11.000 Dollar in Israel. Intifada und die israelischen Reaktionen auf den Aufstand der Palästinenser – wie die Aussperrung vieler dort früher beschäftigter Arbeiter – haben ein ohnehin rückständiges Gebiet weiter in die wirtschaftliche Depression geführt.

Das soll jetzt alles anders werden. Das Abkommen zwischen PLO und Israel eröffnet auch wirtschaftlich neue Chancen – für alle Beteiligten. Ein gemeinsames Komitee, so die Vereinbarung, soll die Wirtschaftskooperation vorantreiben, mit Hilfe der G-7-Staaten will man ein Entwicklungsprogramm starten. Rund 2,5 Milliarden Dollar internationaler Hilfe sind den Palästinensern bisher zugesichert worden. Der warme Regen soll allerdings nicht der PLO geschenkt werden, sondern steht für konkrete Projekte zur Verfügung.

Noch sind die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für das teilautonome Palästina weitgehend unklar. Das Washingtoner Abkommen beschreibt auch hier nur einen groben Rahmen, deren Inhalt erst noch gefüllt werden muß. Und ebenso wie bei den Gesprächen über den israelischen Truppenrückzug und die territorialen Grenzen der autonomen Gebiete Jericho und Gaza steht einiges an Konfliktstoff bereit.

„Wir müssen wirtschaftlich unabhängig werden von Israel und von Jordanien“, beschwört Samir Huleileh, palästinensisches Mitglied der gemischten Kommission. Die Palästinenser möchten sich nicht einseitig an Israel binden, sondern die jordanische Option offenlassen.

Nicht einseitig von Israel abhängig werden

Ob nur der jordanische Dinar oder der israelische Schekel zur neuen palästinensischen Währung werden soll, ist für Huleileh Verhandlungssache. Von den Jordaniern verlangt er eine eigene palästinensische Vertretung im Direktorium der Zentralbank von Amman. Daß das Friedensabkommen zwischen Israel und Jordanien bereits unterschriftsreif ist, freut die palästinensischen Ökonomen nicht unbedingt: Man befürchtet, von beiden Seiten in die Zange genommen zu werden. Notfalls, so heißt es, könnte man auch eine eigene palästinensische Währung auflegen.

Einer gemeinsamen Zollunion, wie sie von Israel favorisiert wird, steht Huleileh reserviert gegenüber. „Solange es keine Bewegungs- und Niederlassungsfreiheit gibt, ist eine Zollunion nicht sinnvoll.“ Befürchtet wird von palästinensischer Seite, von der starken israelischen Wirtschaftskraft (Bruttosozialprodukt 64 Milliarden US-Dollar) an den Rand gedrückt und einseitig abhängig zu werden. „Erst müssen wir konkurrenzfähig werden“, so Huleileh.

Doch ist eine wirtschaftliche Kooperation der Palästinenser mit Jordanien wirklich sinnvoll? „Die Alternative zur Abhängigkeit von Israel ist die Armut“, meinte Ephraim Kleiman von der Hebräischen Universität Jerusalem. Israelische Produzenten sehen in Westbank und Gaza gute Investitionsmöglichkeiten. Sie hätten auch die Möglichkeit, Kapital zu investieren. Wie groß die Rolle internationaler Investitionen sein wird, läßt sich derzeit nur schwer abschätzen. Ein Bündnis von Palästina mit dem schwer verschuldeten Amman (Bruttosozialprodukt vier Milliarden US-Dollar) mag politisch näherliegen, wirtschaftlich scheinen die Zweifel berechtigt. Der stellvertretende Außenminister Israels, Yossi Beilin, übt lieber Zurückhaltung: „Wenn es eine wirtschaftliche Kooperation geben soll“, zitierte die Jerusalem Post den Minister, „dann sollte dies auf dem Wunsch der Palästinenser und nicht auf unseren Ideen beruhen.“

In den nächsten fünf Jahren, darüber sind sich die Experten einig, wird es primär darum gehen, wichtige Infrastrukturprojekte aufzubauen. Stromversorgung, Wasserprobleme, Petrochemie, Straßenbauprojekte, ein Hafen in Gaza – die Liste der Wünsche ist lang. Schon in der Anlage des Washingtoner Abkommens erwähnt ist der alte Plan, durch eine Wasserleitung vom Mittelmeer zum Toten Meer Energie zu gewinnen und nebenbei ein Austrocknen des Salzsees zu verhindern. Samir Huleileh wünscht sich außerdem Regionalflughäfen, die Gaza mit Jericho verbinden könnten. Geplant wird auch eine Autobahn, die Jericho und Gaza im Transit über israelisches Gebiet miteinander verbinden könnte. Vorgesehen sind auch zwei Freihandelszonen in Gaza und in Israel.

Doch mit dem anstehenden Friedensvertrag zwischen Israel und Jordanien und einer zumindest möglichen Vereinbarung mit Syrien gerät der Aufbau eines teilautonomen Palästinas möglicherweise zur Fußnote einer viel weiteren Wirtschaftsentwicklung. Sollte der – ohnehin durchlöcherte – arabische Wirtschaftsboykott gegen Israel fallen, sollten die Länder der Region normale Beziehungen entwickeln, winken bis vor kurzem noch ungeahnte Möglichkeiten.

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