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Ist die Vizepräsidentin politisch tragbar?

■ Die Vizepräsidentin der Technischen Fachhochschule (TFH), gerät unter Druck: Sie ist Vorsitzende des Berliner Ablegers der rechten Psychosekte VPM / Stimmung im Präsidium auf dem Nullpunkt

An der Technischen Fachhochschule im Wedding gibt es Krach: Immer mehr Hochschulmitglieder fragen sich, ob die Vize-Präsidentin A.B. politisch noch tragbar ist. Bei der Sitzung des Akademischen Senats (AS) am Donnerstag wurde sie für die bevorstehenden Wahlen nicht wieder nominiert, denn B. ist Vorsitzende der Gesellschaft zur Förderung der psychologischen Menschenkenntnis (GFPM), des Berliner Ablegers der rechten Psychosekte VPM.

Diese Tatsache an sich ist nichts Neues. Schon Anfang des Jahres hatte es angesichts verschiedener Presseberichte über den VPM Diskussionen über A.B. an der TFH gegeben. Allerdings schien niemand zu wissen, um was für einen Verein es sich eigentlich handelt. B. veröffentlichte bei der Sitzung des Akademischen Senats am 18. Januar eine „Persönliche Erklärung“, in der es hieß, „daß meine Mitarbeit in der GFPM (…) klar getrennt ist von meiner über 20jährigen Tätigkeit als Hochschullehrerin an der TFH“. Damit war für TFH-Präsidenten Günter Siegel die Angelegenheit erledigt. Auch Jugendsenator Thomas Krüger (SPD) hielt in der Beantwortung einer Anfrage im Abgeordnetenhaus vor wenigen Tagen den GFPM-Vorsitz und die Vize-Präsidentschaft an der TFH dann für vereinbar, wenn es keine Überschneidungen gebe.

Ob die Aussage B.s aber so stimmt, daran bestehen Zweifel. Eines der Haupteinflußgebiete des VPM ist neben den Psychologen der gesamte Bereich der Pädagogik und Ausbildung. LehrerInnen-Workshops bilden einen Schwerpunkt der Seminartätigkeit. A.B. nun leitet seit Jahren an der TFH Kurse zu den „Grundlagen der Lern- und Sozialpsychologie und ihre Anwendungen“ – eine Schulungsveranstaltung für TutorInnen der Erstsemesterbetreuung. Woher bezieht die Lebensmitteltechnik- Professorin B. ihr Wissen über Psychologie? In einem Interview im September 1992 bezeichnete B. als „Grundsäulen“ der psychologischen Ausrichtung des VPM die Neo-Psychoanalyse, die Individualpsychologie Alfred Adlers und die Entwicklungspsychologie. In den Sitzungen ihrer „Schulungskurse für Erstsemester-Betreuung“, nach B.s Aussage ganz klar getrennt von ihrer GFPM-Tätigkeit, verwendet sie die gleichen Grundlagen. In den von StudentInnen erstellten Protokollen dieser Sitzungen, die der taz vorliegen, finden sich Texte aus der gleichen Literatur: Ausschnitte aus Alfred Adlers Buch „Menschenkenntnis“, das dem VPM zum Namen verhalf, Texte aus der Entwicklungspsychologie und der Neopsychoanalyse. Freud wird dabei verteufelt: So heißt es im Protokoll der B.-Sitzung stichwortartig: „Anmerk.: Entwicklungspsychologie steht Freuds Triebmodell entgegen. Er ging nicht auf die soziale Beziehung ein.“ Und das ist nun praktisch Originalton VPM, wie auch aus einem von der Gesundheitsverwaltung in Auftrag gegebenen Gutachten über die theoretischen Grundlagen des VPM hervorgeht. Dort heißt es, „daß erneut und zum wiederholten Male der schlecht verstandene Triebbegriff bei Freud zum Popanz unnötigerweise aufgebläht wird“.

Immer wieder wird in B.s Sitzungen auch auf die Bedeutung der Lerngruppe hingewiesen – in klassischer VPM-Manier. In einer VPM-Selbstdarstellung heißt es im Abschnitt über die Arbeit mit StudentInnen: Die „psychologisch geführte Gruppe“ trägt „wesentlich dazu bei, unbewußte Gefühlszusammenhänge, die sich im Studium störend auswirken, zu verstehen und aufzuarbeiten“. Im Protokoll einer Sitzung von A.B. an der TFH liest sich das dann so: Vorteil der Gruppenarbeit: „Die eigenen Probleme werden bewußter und können somit besser geklärt werden.“

Doch die Einflußnahme von B. an der TFH geht noch weiter. Mit dem Ziel, „psychologische und pädagogische Grundlagen (…) in die pädagogische Praxis an der TFH einzubauen“, lud unter anderem Vizepräsidentin B. im Rahmen der TutorInnenschulung 1988 und 1989 zu Sonderveranstaltungen. Am 22. und 23. Mai 1989 sprachen dabei zum Thema „Mensch und Technik“ die ReferentInnen Dr. Franziska Haller und Dr. Henry Goldmann – Goldmann war damals stellvertretender Vorsitzender des VPM in der Zentrale in Zürich, Haller war bekannte „Vereinspsychologin“ des VPM.

B. ist an der TFH nicht mehr allein. Seit dem Sommersemester 1992 gibt es am Fachbereich 1, wo B. ihre Psycho-Kurse abhält, eine neue Lehrbeauftragte. Name: Heike Hartisch. Sie führt einen Kurs fort, der vorher von B. selbst angeboten wurde: „Frauen in technischen Berufen“. Das klingt nicht nur nach einer Parallele zum Veranstaltungsthema „Mensch und Technik“. Nein, Heike Hartisch kennt man auch aus anderem Zusammenhang. Am 14. November 1992 beantragte an der Technischen Universität ein „Arbeitskreis für ein Qualifiziertes Studium“ (AQS) seine Registrierung. Daß dieser Verein ein studentischer VPM-Ableger ist, gilt mittlerweile als Binsenweisheit. Wenn es dennoch eines Beweises bedarf: Alle acht AntragstellerInnen tauchen auch als UnterzeichnerInnen einer Zeitungsannonce „Gegen die organisierte Verhetzung des VPM“ auf, die getrost als Mitglieds- und Sympathisantenliste interpretiert werden kann. Beide Male dabei: Heike Hartisch.

A.B. hat offensichtlich auch direkt versucht, Werbung für den VPM an der TFH zu betreiben. Informanten bestätigten gegenüber der taz, daß es Aussagen von StudentInnen über solche Werbeversuche von Seiten B.s gibt. Angesichts der juristischen und persönlichen Angriffe, mit der der VPM in der Vergangenheit seine KritikerInnen überzogen hat, mag jedoch niemand diese Aussagen öffentlich wiederholen. Nach Informationen der taz hat A.B. auch versucht, Hochschullehrer für den VPM zu interessieren, etwa durch die Weitergabe des Buches „Standort Schule“, eines VPM- Klassikers zur Bildungspolitik und anderer VPM-Materialien.

Der Fall B. könnte einem Ende entgegengehen. Am 22. Oktober diesen Jahres erschien in der Zeit eine Doppelseite über den VPM, das an der TFH nochmals für Aufregung sorgte. Eine Kommission zur Verbesserung der Lehrtätigkeit an der TFH kann seither nicht mehr tagen, weil eine Pattsituation zwischen Unterstützern und Gegnern einer Mitarbeit von Frau B. entstand.

Vor wenigen Tagen wurden unter dem gefakten Briefkopf „Vereinigung Unabhängiger Journalisten“ eine Sammlung von Zeitungsausschnitten zu VPM/GFPM an verschiedene Hochschulmitglieder verschickt. A.B. reagierte prompt mit einer erneuten „Persönlichen Erklärung“, die am Donnerstag auf der Sitzung des AS zur Debatte stand. Darin stellt B. sich und den VPM als Opfer einer „Medienkampagne“ dar.

So richtig nimmt ihr das wohl niemand mehr ab. Die Stimmung im Präsidium sei derartig auf dem Nullpunkt, wird berichtet, daß allein deshalb ein Verbleib B.s dort nicht mehr wünschenswert sei. Sollte B. doch vom Konzil nominiert werden, so müßte ihre Tätigkeit wohl spätestens enden, wenn der VPM in die Neuauflage der Sekten-Informationsbroschüre des Bundesjugendministeriums aufgenommen würde. Und das wird derzeit nur durch eine einstweilige Anordnung behindert, die der VPM eiligst vor dem Verwaltungsgericht Köln erwirkte. taz

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