■ Prinzessin Diana im englischen Blätterwald: Die letzte Schamgrenze fiel
Dublin (taz) – Die Tränen über Lady Dianas sechsmonatige Repräsentationspause waren in den Gesichtern der britischen Boulevardpresse kaum getrocknet, da überraschte die Prinzessin am Montag mit einem Auftritt bei einer Reklameveranstaltung. Es ging dabei um die Taufe eines Flugzeugs, das sich „Virgin“-Boß Richard Branson gerade zugelegt hatte. Diana mußte eine Flasche Champagner gegen den Airbus werfen und einen kleinen roten Vorhang beiseite ziehen, der den Namen des Flugzeugs verdeckte: „Lady in Red“.
Auf diesen Moment hatte Chris de Burgh nur gewartet: Der dumpfbackige irische Sänger, der sich mit seinem Klavier hinter dem Flugzeug versteckt hatte, war nun nicht mehr zu bremsen und trällerte seinen Erfolgshit, nach dem der Flieger benannt worden war.
Unterdessen besprühte Branson die Prinzessin mit Champagner, legte ihr seinen Arm um die Schulter und machte ihr das zweifelhafte Kompliment, daß sie genauso schön wie sein Airbus sei. Bei Diana fiel nun auch die letzte Schamgrenze, und sie versprach Branson im Gegenzug den Schnittmusterbogen ihres Kostüms, damit die „Virgin“-Stewardessen würdig eingekleidet werden können.
Die englische Boulevardpresse jaulte vor Begeisterung. „Soll das die Frau sein, die sich aus der Öffentlichkeit zurückziehen will?“ fragte der Daily Express und gab gleich selbst die Antwort: natürlich nicht!
In Wirklichkeit steckt ihr Ehemann, der Thronfolger, hinter der Entscheidung, weil er die Schnauze voll davon hat, daß Diana ihm ständig die Schau stiehlt. Das Blatt wußte „von engen Vertrauten des Prinzen“, daß Charles so schnell wie möglich die Scheidung einreichen will, nachdem ihm der Erzbischof von Canterbury versichert habe, daß er trotzdem König werden könne. Der Daily Mirror berichtete gestern gar auf der Titelseite, daß Charles nicht nur Diana loswerden will, sondern auch seine Geliebte Camilla Parker Bowles, als deren Tampon er eigentlich – laut abgehörtem Telefongespräch vom vergangenen Jahr – reinkarniert werden wollte. „Er opfert der Krone seine Liebe zu Camilla“, rührseligte der Mirror.
Das will der Erzdiakon von York jedoch verhindern. George Austin, der von seinem Chef, dem Erzbischof von York, nach einer Charles-Dickens-Figur „fetter Knabe“ gerufen wird, kritisierte Charles am Dienstag in der BBC: „Charles hat sein Ehegelübde, das er vor Gott abgegeben hat, gebrochen. Wie kann er dann in die Westminster-Abtei gehen und den königlichen Schwur ablegen?“
Bei so viel königlichem Boulevardtratsch wollte auch der seriöse Guardian nicht zurückstehen und portraitierte gestern den dicken Diakon.
Der Independent berichtete zwar ebenfalls über George Austin, ignorierte jedoch die Diana- Story, weil der Chafredakteur bei der Gründung der Zeitung vor sieben Jahren versprochen hatte, den Windsors keine Zeile zu widmen. Statt dessen mußte man sich nun mit einem Aristokraten aus dem zweiten Glied begnügen: Der steinreiche Marquis von Bristol, der vor ein paar Jahren seinen Kühlschrank mit einem Schuß aus einem großkalibrigen Gewehr öffnete, um ihm eine Flasche erstklassigen Champagner zu entnehmen, hat sein Vermögen für Heroin und Kokain verpulvert. Dafür muß er zehn Monate in den Knast. Ralf Sotscheck
Aus gegebenem Anlaß wird das Windsor-Solidaritätskomitee (den drei LeserInnen sei Dank für die bisher eingegangenen 15 Pfund Spendengelder) in Zukunft seine Mildtätigkeit auch gegen zweitklassige Aristokraten anwenden.
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