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London: Akten über Nazi-Kriegsverbrechen

■ Bonner Justiz reagiert zögerlich

Dublin (taz) – Die britische Regierung hat am Dienstag dem Druck verschiedener Abgeordneter nachgegeben und in die Veröffentlichung der Akten über einen mutmaßlichen Nazi-Kriegsverbrecher eingewilligt. Es geht dabei um den heute 82jährigen Wilhelm Mohnke, einem der ersten Mitglieder von Hitlers Leibstandarte und Kommandanten eines SS-Regiments. Mohnke, der in der Nähe von Hamburg lebt, soll 1940 persönlich die Ermordung von 80 britischen Kriegsgefangenen in Nordfrankreich angeordnet haben.

Verschiedene Zeugen haben laut britischer Akten Wilhelm Mohnke als denjenigen identifiziert, der die Gefangenen damals in eine Scheune im Ort Wormhoudt treiben ließ, das etwa zwanzig Kilometer von Dünkirchen entfernt liegt. Danach wurde die Scheune mit Granaten und Maschinengewehrsalven beschossen. Nur zwölf Gefangene entkamen dem Massaker, vier von ihnen leben heute noch. Mohnke soll außerdem 1944 an der Ermordung von drei kanadischen und 72 US- amerikanischen Kriegsgefangenen in den Ardennen beteiligt gewesen sein.

Die Akten über den Nazi-General sollten ursprünglich noch zwölf Jahre unter Verschluß bleiben. Mit der Ankündigung, sie vorzeitig zu veröffentlichen, will die britische Regierung einer Entscheidung des bundesdeutschen Justizministeriums zuvorkommen, das Mohnke offenbar nicht strafrechtlich verfolgen will. Das Bonner Ministerium, dem die britischen Akten seit vier Jahren vorliegen, teilte der britischen Tageszeitung Independent am Dienstag mit, daß das Untersuchungsergebnis des Falles innerhalb der nächsten drei Wochen bekanntgegeben werde.

Da die Verbrechen, die Mohnke zur Last gelegt werden, in Frankreich verübt wurden, kann Großbritannien keinen Auslieferungsantrag stellen. Deshalb, so teilte Verteidigungsminister Malcolm Rifkind dem Unterhaus- Ausschuß über Kriegsverbrechen mit, will man die Beweise der Öffentlichkeit so schnell wie möglich zugänglich machen.

Die 22 Geheimakten sind von der Alliierten Untersuchungsbehörde in den Jahren 1945 und 1946 zusammengestellt worden. Mohnke wurde bei den Nürnberger Kriegsverbrecher-Prozessen jedoch nicht angeklagt, weil er bei Kriegsende in Berlin von der sowjetischen Armee gefangengenommen worden war. Die Akten wurden nie veröffentlicht.

Mohnke, der nach dem Fall Frankreichs an der Spitze des Siegesmarsches durch Berlin gelaufen war, blieb bis zum Schluß bei Hitler – und zündete nach dessen Selbstmord den Führerbunker an. Als Wilhelm Mohnke Mitte der fünfziger Jahre aus der Sowjetunion nach Deutschland zurückkehrte, hatten die britischen Behörden den Fall vermutlich vergessen. Mohnke machte in der Nähe von Hamburg unbehelligt eine Karriere als Geschäftsmann. Ralf Sotscheck

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