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...ist ein Porter dein einziger Freund

■ Harry „Pu der Bär“ Rowohlt liest heute im „Ambiente“ Selbstübersetztes / Zweimarkstücke mitbringen!

Wenn ein halber Sohn einer Stadt diese zum zweiten Mal besucht, ist das eine ganze Sache, heben wir also heute abend im Café Ambiente unser Glas und trinken aufs Wohl von: Harry Rowohlt.

Wer die taz hält, hält mit zunehmendem Alter auch die ZEIT, und dem brauch' ich nicht zu erzählen, daß Harry Rowohlt amerikanische Sandalen trägt, faul ist, blaue Augen hat, Jesus mit Ron Hubbard vergleicht u.s.f. Den jüngeren Lesern sei erklärt: Harry Rowohlt ist 48 Jahre alt und nicht die dritte Verleger-Generation geworden und auch nicht zu den Schriftstellern übergelaufen, sondern im Niemandsland geblieben und Übersetzer geworden. Er hat Flann O'Brien übersetzt, 80 andere Bücher und Pu der Bär (lat. Winnie ille Pu, engl. Winnie-The-Pooh). Das Kinderbuch für den Erwachsenen im Kind. Jetzt wird Rowohlt öfter mal mit Pu verwechselt, nicht zuletzt, weil seine Kolumne in der ZEIT „Pooh's Corner“ heißt. Die ZEIT ist nämlich ein Überraschungsei, oder, um aus dem Bild zu fallen, „Pooh's Corner“ ist in ganz viel Packpapier eingewickelt.

Die ZEIT ist – drittes und letztes Bild – in diesen Wochen eine taube Nuß. Warum, Herr Rowohlt? „Ich erleb' ja immer nix! Übersetzer erleben nix! Soeben übersetze ich Dan McCall's 'Trip Hammer', über einen Polizisten mit Alkoholproblem und geringem Wortschatz.“ Übersetzers Problem: ins Deutsche zu bringen, daß der Bulle nicht blöd, sondern nur ungebildet ist. Apropos Alkohol: Der alte Rowohlt umschrieb das Verlagsprofil so: „Alle Autoren rauchen und trinken.“ Der junge: „Alle, die ich übersetze, rauchen und trinken. Bis auf Robert Crumb: LSD verträgt sich nicht mit Alkohol.“

Rowohlt stammt mütterlicherseits aus Bochum, väterlicherseits vom Osterdeich, kindlicherseits aus Hamburg. Skandinavier, Franzosen und italienische Zigeuner sind zusätzlich im Blut, ein großes Gesumm. Bevor Klein-Harry im Meer von Intelligenz und Bildung unterging, wurde er Kommunist. Mit schwarzem Rolli. Und großem Latinum. Lehre bei Suhrkamp. Erst Rote Hand, später Gauloises. Seine härtesten Fans sitzen heute noch in Bochum („meine Ostkurve“).

Wieso hat ein Übersetzer Fans? Wer kennt schon Übersetzer? „Übersetzen ist eine niedere Arbeit. Man ist Gefäß.“ Sagt Rowohlt, um zu erklären, daß 90 Prozent aller ÜbersetzerInnen Frauen sind, bei den Autoren das Verhältnis aber genau umgekehrt ist. Genau: Wie steht es mit dem Sex, Herr Rowohlt? „Anfang Februar feiern wir Silberhochzeit.“ Darüberhinaus ist er „pädophob“, „ich kann Kinder nicht leiden, ich schnauze sie an und haue sie, wo haben sie das heute noch? Da kommen sie natürlich immer wieder.“ Aber, ja klar, zwei Katzen... Nix klar, die hat er nur vor dem Tod durch Mülleimer gerettet. Boxer kann er leiden („beißen Größere, ficken Gleichgroße, beschützen Kleine“), in Ommas Haus am Osterdeich hatten sie auch einen. Bei Fehlverhalten hieß es, der Hund sei geistesgestört.

Erst sagt Rowohlt auf die Frage, ob er einen Tip für die LeserInnen der taz hat, wie man so alt wird: „Ich bin doch erst 48!“ Aber dann wird er nachdenklich. Der 45er Jahrgang, wer dachte damals an Kinderkriegen, die schlechte Ernährung... „Wir erleben eine gigantische Rückholaktion dieses Jahrgangs, es gibt nur noch wenige von uns.“ Und er verrät das einzige Rezept, nach dem er kochen kann: Pizza westfälisch. Getoastetes Schwarzbrot, mit ordentlich Knoblauch eingerieben, eine Lage Leberwurst, eine Lage Thymian, schwarzer Pfeffer. O la la.

Wann lesen wir endlich wieder Ihre Kolumne in der ZEIT, Herr Rowohlt? „Bestimmt, wenn ich aus Bremen zurückkomme.“ Liebe Leser, Ihr habt es in der Hand! Hier also kurz, was Harry Rowohlt mag: Er mag es, wenn bei seiner Lesung (was liest er? Flann O'Brien natürlich!) ein Trüppchen Fans leise mitrezitiert: Ist das Essen knapp und die Kammer leer / Und kein Speck in der Pfanne sich bräunt / Wird selten gespeist und gehungert mehr, / Ist ein Porter dein einziger Freund (aus: „At Swim-Two-Birds). Zweitens mag Rowohlt (aufgepaßt, BREMEN WERBUNG, so billig kommt die Stadt nie mehr in die ZEIT!), was ihm in Braunschweig zustieß. Nach der Lesung kam ein Hörer und sprach: „Der Eintritt hat acht Mark gekostet, aber ich habe mich für zehn Mark amüsiert.“ Und steckte dem Übersetzer ein Zweimarkstück zu. It's up to you, BremerIn! Burkhard Straßmann

PS: Die „Meinungen und Deinungen eines Bären von geringem Verstand“ (d.i. Harry Rowohlt), also Pooh's Corners, Filmkritiken etc. liegen jetzt unter dem Titel „Pooh's Corner“ gebunden vor bei Haffmans (28,50 Mark). Die erste Auflage ist schon weg, weil im Register 550 Namen aufgezählt sind, deren Besitzer sie schon darum kaufen mußten. Ich persönlich hatte bei der Lektüre erstmals einhändigen Handschweiß und nahm vormittags Alkohol zu mir. Darf man solche Bücher empfehlen?

PPS: Die Lesung findet im Café Ambiente statt, Beginn 20 Uhr.

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