■ Normalzeit: Lichtenberger M.a.f.i.a.-Kämpfe
Der Senat tut sich schwer zu begreifen, daß lean reproduction und Aktivitäten von unten angesagt sind: Noch immer wird jedes postmoderne Dienstleistungs- Center als Bollwerk gegen den Armutsansturm aus den Steppen Asiens gefeiert (und von Diepgen eingeweiht). In der Moellendorfstraße 34 steht eine verlassene Kindertagesstätte der „Elektrokohle Lichtenberg“, man bräuchte quasi nur die neuen Tapeten überzustreichen und die Heizung zu reparieren. Das weitläufige Haus, von einem schönen Park umgeben, ist sogar noch möbliert.
Aber in Bausenator Nagels Liste leerstehender Objekte taucht es nirgends auf und der Bezirk plant dort – schwachsinnigerweise – für 1996 einen Gutshof. Eigentlich will man das Edelgelände aber bloß einem potenten Investor zuschanzen.
Dann trat jedoch das „Visuelle Kommunikationszentrum Berlin“ auf den Plan und legte ein Nutzungskonzept für Jugend- Medienarbeit vor. Das Objekt gelangte daraufhin aus dem Fachvermögen der Bezirksabteilung Jugend in das der Abteilung Finanzen, diese sollte mit dem ABM-Verein Vermietungsverhandlungen führen: Erst war von einem Zehnjahres-, dann nur noch von einem Dreijahresvertrag die Rede, bei Selbstfinanzierung der Instandsetzung. Die Jugendarbeiter ließen nicht locker und bekamen Unterstützung vom Bündnis 90 sowie 150.000 Mark vom SPD-Jugendsenator zur Renovierung des Hauses (aus dem Topf „Jugend mit Zukunft“).
Dessen Bedingung war ein Baugutachten der „Gesellschaft für Stadtentwicklung“ (GfS), einem Ableger der SPD-Servicgesellschaft SPI (Sozialpädagogisches Institut), die den Renovierungsaufwand schließlich mit 900.000 Mark bezifferte, die sie selber aufzutreiben versprach, wenn ihr das Gebäude übertragen werde. Den Jugend-Medienarbeitern sicherten sie zu, ihnen das Haus später nahezu mietfrei zu überlassen.
Beim CDU-Baustadtrat, aber auch bei Finanzsenator Elmar Pieroth vermutet man jedoch, und vielleicht zu Recht, daß damit das immobile Schmuckstück sang- und klanglos im sozialdemokratischen Bausumpf versacken würde. Lieber läßt man es leerstehen und zahlt laufend Handwerker, die ein Fenster nach dem anderen zu verrammeln haben.
Nachdem der Verein jetzt alle Vermietungsbedingungen, die der Stadtrat für Finanzen ihm am 5. Oktober diktierte, erfüllt hat – zusammen mit der „Gesellschaft für Stadtentwicklung“, versuchte nun der Baustadtrat Krautzick erneut, die lästige Basis-Initiative abzuwimmeln: „Lassen Sie die Finger von der Moellendorfstraße, dort soll gebaut werden, und machen Sie vor allem nicht so einen Medienrummel, das kann man doch auch anders regeln. Wir hätten da beispielsweise ein sehr schönes Objekt für Sie in Karlshorst.“
Dort kehren gerade die vor einiger Zeit lautstark abgezogenen Soldaten der Roten Armee, von ihren Familien zu Hause gedrängt, klammheimlich wieder in ihre leergeräumten Unterkünfte zurück, weil es weder Arbeit noch Unterkunft für sie in GUSland gibt...
Ist das schon ein Fortschritt: Daß man die ungeliebten Selbsthilfeprojekte der Ost-Bürger nun wenigstens bei der Bekämpfung der russischen M.a.f.i.a. (Mutter- Abwärtsorientierter-Finanz-Initiativausschuß) offensiv einsetzen will? fragt sich der Vereinsvorsitzende Peter Schmidt, bleibt aber weiter am Moellendorfstraßenball. Helmut Höge
Wird fortgesetzt
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