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Armee mit ungewisser Zukunft

■ Wolfram Wette, 53, Historiker am Militärgeschichtlichen Forschungsamt in Freiburg i. B. warnt vor einer Berufsarmee

taz: Gibt es einen Zusammenhang von Demokratie und Wehrpflicht? Anders gefragt: Wenn schon Streitkräfte nötig sind, müssen dann die Bürger Soldaten sein?

Wolfram Wette: Diese Frage wird seit 200 Jahren diskutiert. Die politischen Kräfte, die sich jeweils als fortschrittlich definiert haben, glaubten immer, im Prinzip sei die Wehrpflicht das Wehrrecht freier Männer und müsse als Pendant zum allgemeinen Wahlrecht gesehen werden – so hat es beispielsweise August Bebel formuliert. Dieser enge Zusammenhang von Demokratie und Wehrpflicht kommt auch zum Ausdruck in dem Wort Theodor Heuss', der gesagt hat: Die Wehrpflicht ist das legitime Kind der Demokratie.

Dieser Satz hat jahrzehntelang die Auseinandersetzung darüber verhindert, ob das denn eigentlich stimmt, daß Demokratie und Wehrpflicht untrennbar sind. Die Geschichte Preußen-Deutschlands im 19. und 20. Jahrhundert, also von der Einführung der Wehrpflicht in Preußen 1814 bis hin zum Kriegsende 1945, lehrt jedenfalls etwas anderes. Die militärischen Führungsschichten des jeweiligen Staates haben den Streitkräften in so starkem Maße ihren Stempel aufgedrückt, daß von der Hoffnung, mit Hilfe der Wehrpflichtigen könnte das Militär demokratisiert werden, nichts übriggeblieben ist.

In der Auseinandersetzung über die künftigen Aufgaben der Bundeswehr werden derzeit Fakten geschaffen, bevor politische Klärungen vorhanden sind. Glauben Sie, mit einer Berufsarmee wären Einsätze im Ausland leichter möglich als mit einer Wehrpflichtigen-Armee?

Sogar einige Militärs sind der Auffassung, daß Politiker auf Wehrpflichtige stärkere Rücksichten nehmen würden als auf eine Berufsarmee, also vorsichtiger mit dem Einsatz der Streitkräfte sein würden. Ich sehe die Gefahr, daß wir in absehbarer Zeit – vielleicht in zehn Jahren – eine hochtechnologisierte Armee ohne Wehrpflichtige bekommen könnten, die nicht mehr eng an die Vorstellung der Landesverteidigung gebunden ist, sondern sich eine neue Legitimationsideologie zulegt.

Sie könnte dann weltweit beliebig eingesetzt werden. Eine formale Rechtfertigung für kriegerische Einsätze hat sich in der Geschichte noch immer finden lassen.

Befürworten Sie weiterhin die Wehrpflicht?

Ich wünsche mir, daß man langfristig auf die Wehrpflicht verzichtet und sich mit einer ganz geringen militärischen Komponente begnügt. Ich kann nicht erkennen, welche Sorte von künftigen Konflikten mit militärischen Mitteln eingedämmt oder gelöst werden kann.

Sie werfen der Bundesregierung vor, sie habe eine Verselbständigung der Bundeswehr zugelassen. Warum wird nicht offen über die Zukunft von Armee und Wehrpflicht diskutiert?

Der Bundesregierung werfe ich vor, daß sie nach der Zäsur von 1989/90 nicht eine außen- und sicherheitspolitische Konzeption erarbeitet hat, die der militärischen Führung einen Rahmen für ihre Planung vorgibt. Da eine solche Vorgabe fehlt, haben sich die politisch denkenden Köpfe in der militärischen Hierarchie selbst nach neuen Aufgaben und Legitimationen umgesehen – ich denke an das Stichwort weltweiter Interventionismus. Die Militärführer begannen, selbst die künftigen Aufgaben der Streitkräfte zu formulieren, bevor überhaupt eine politische und gesellschaftliche Auseinandersetzung zu diesem Thema stattgefunden hatte. Auch eine solche Frage wie die über die künftige Struktur der Streitkräfte darf keine Fachdebatte auf der Hardthöhe sein. Das ist eine genuin politische und gesellschaftliche Diskussion, die möglichst breit diskutiert werden muß. Interview: Hans Monath/Bonn

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