■ Aufstand der Staatsdiener in Argentinien: Das Militär wird wieder gebraucht
Wieder einmal kann sich das argentinische Militär in seiner Lieblingsrolle profilieren: als Wächter über „Ruhe und Ordnung“. Ende vergangener Woche waren Tausende von Staatsangestellten in der Provinz Santiago del Estero auf die Straße gegangen, hatten Geschäfte geplündert, Barrikaden errichtet und den peronistischen Gouverneur Fernando Lobo aus seinem Amtssitz vertrieben. Die Zentralregierung schickte das Militär, und schon vermelden die Nachrichtenagenturen, es sei wieder Ruhe eingekehrt.
Dabei ist politisch nichts geschehen. Zwar hat der von Präsident Carlos Menem ernannte Sonderbeauftragte Juan Schiaretti angekündigt, die seit drei Monaten ausstehenden Gehälter umgehend auszahlen zu wollen, doch die explosive Grundkonstellation bleibt. Santiago del Estero ist die ärmste Provinz Argentiniens. Der Staat ist der größte Arbeitgeber – rund 35 Prozent der Beschäftigten sind öffentliche Angestellte. Sie sind vom extremen Sparprogramm der Regierung Menem am stärksten bedroht: Fast die Hälfte der Angestellten in Santiago del Estero sollen entlassen oder in den Vorruhestand geschickt werden. Vorruhestand, das bedeutet oft Verelendung – immer wieder haben die RentnerInnen in den letzten Monaten gegen ihre unwürdigen Lebensbedingungen protestiert. Kein Wunder, daß sich die angestauten Ängste in der vergangenen Woche entluden. Die Ankündigung von Gouverneur Lobo, lediglich die Novembergehälter auszahlen zu wollen, obwohl die Angestellten schon seit September keinen Centavo mehr gesehen hatten, war da nur der Auslöser.
Nun steht die ganze Provinz unter der Kontrolle der Zentralregierung in Buenos Aires. Der schon sprichwörtliche Konflikt zwischen Hauptstadt und Provinzen wird fleißig weiter genährt. Das Militär erhält neun Jahre nach dem Ende der Diktatur wieder eine staatstragende Rolle. Wie ein roter Faden ziehen sich die Militärinterventionen zur „Rettung der Nation“ durch die Geschichte Argentiniens. Und sozialen Sprengstoff wird es auch in Zukunft geben: Schon hat Präsident Menem angekündigt, an der rigorosen Sparpolitik werde sich nichts ändern. Wie auch in dem hochverschuldeten Land, das für neue Kredite das Placet des Internationalen Währungsfonds braucht? Und im Unterschied zu einigen seiner lateinamerikanischen Kollegen hat Präsident Menem auch politisch keine spektakulären Erfolge vorzuweisen. Was bleibt, ist Neoliberalismus pur, eine verarmte Mittelschicht und handfeste Konflikte selbst mit den peronistischen Gewerkschaften. Die Lunte ist schon gelegt – Santiago del Estero wird kein Einzelfall bleiben. Bernd Pickert
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