: Zu Weihnachten in die Freiheit
Prozeß um geplanten Brudermord endet für das ehemalige AL-Vorstandsmitglied Ilona Hepp mit milder Strafe / Gericht sieht Hinweise auf ein Komplott des angeblichen Opfers ■ Von Gerd Nowakowski
Alles, rief Ilona Hepp unter hysterischen Tränen am letzten Verhandlungstag, könne man ihr antun, nur keine verminderte Schuldfähigkeit. Richter Hartmut Füllgraf berücksichtigte das. Drei Jahre wegen „Beteiligung zur Anstiftung zum Mord“ und volle Schuldfähigkeit, lautete das Urteil. Dieses nur unter Berücksichtigung einer verminderten Schuldfähigkeit zu rechtfertigende Strafmaß verpackte Füllgraf pädagogisch- feinfühlig, damit die Angeklagte „damit leben kann“. Unmittelbar nach Urteilsverkündung kam das ehemalige Vorstandsmitglied der Alternativen Liste frei – nach siebzehn Monaten Untersuchungshaft.
„agent provocateur“
Auch die Urteilsbegründung ließ Ilona Hepp (39) Gerechtigkeit widerfahren. Wenig blieb von dem Vorwurf, die asketisch lebende Politologin sei ein habgieriges Monster mit Doppelmoral, die ihren Bruder Nicolas (43) von einem „Killer“ für 50.000 Dollar töten lassen wollte, um das mütterliche Millionenvermögen nicht teilen zu müssen. Bei der Übergabe des Geldes war sie im Sommer 1992 verhaftet worden. In 25 Verhandlungstagen, so der Richter, habe sich statt dessen ein „Familiendrama mit geradezu klassischer Konstellation“ enthüllt.
Zum Mordvorwurf sei es nur deshalb gekommen, weil der Kunstwissenschaftler als „agent provocateur“ agiert habe. Der Bruder – „hochintelligent, verschwenderisch, vom Rotlichtmilieu angezogen und immer auf der Suche nach Geld“ – habe den „Kampf mit aller Härte bis zur Existenzvernichtung“ geführt. Dazu war dem angeblichen Mordopfer „jedes Mittel recht.“
Alle vier Belastungszeugen habe der Bruder mit Hilfe unrechtmäßig erschlichener Prozeßakten instruiert. Nicolas Hepp habe mehrfach falsche eidesstattliche Versicherungen abgegeben, andere Zeugen zu Falschaussagen angestiftet sowie Aktenfälschung und Schmuckdiebstahl betrieben.
Die richterliche Wertung der Zeugen war eine einzige Ohrfeige für Staatsanwalt Harald Verheyen, der in seinem Plädoyer noch von überaus glaubwürdigen, „fast gläsernen Zeugen“ schwärmte und die Tat als erwiesen ansah. Die Urteilsverkündung ersparte sich Verheyen; er ließ sich vertreten.
Alle Zeugen hätten Angaben gemacht, auf die „eigentlich nichts zu stützen“ ist, stellte das Gericht fest. Während Verheyen die Zeugin L. noch lyrisch beschrieb als eine Frau, „die in Geld einen Freund sieht“, ließ das Gericht keinen Zweifel daran, daß die ehemalige Prostituierte und Freundin von Nicolas Hepp „für Geld alles macht“. Die Frau, die die beiden Geschwister, die in einer extrem kaltherzigen Familie aufgewachsenen waren, gegeneinander ausspielte, habe „nachweislich gelogen“. Auch der von Nicolas Hepp zu Ilona geschickte „Killer“, ein vielfach vorbestrafter Metallarbeiter, habe falsch ausgesagt. Das vor Gericht überaus glaubwürdig wirkende Weinen aus seelischer Erschütterung über den erteilten „Mordauftrag“ seien „beliebig reproduzierbare Krokodilstränen“.
Ermittlungsdesaster
Indirekt rügte das Gericht damit die völlig eindimensionalen Ermittlungen. Sämtliche entlastenden Momente für Ilona Hepp wurden konsequent ignoriert. Staatsanwalt Verheyen folgte damit dem Muster der vorverurteilenden Boulevardpresse, in der der „Killer“ in einer Serie auftreten durfte – Titel: „AL-Chefin zum Killer: Treib ihn ab, ich will ihn weghaben!“ An den gravierenden Ermittlungslücken scheiterte auch ein erster Prozeß im Frühjahr. Dabei war längst klar, das nur Nicolas Hepp ein Geldmotiv besaß. Denn das Millionenvermögen und Grundbesitz hatte die Mutter bereits vor ihrem Tod Ende 1991 an die Tochter überschrieben. Der Bruder war es auch, der Teilungsangebote ablehnte und am Tag der Beerdigung den Ilona Hepp gehörenden Familienschmuck im Wert von 300.000 Mark stahl.
Präzise erfaßte das Gericht die zentrale Rolle des Schmuckdiebstahls. Ilona Hepp empfand dies als „Leichenschändung“ der Mutter. Sie haben den Bruder als „habgierig und nichtsnutzig“ erkannt und nicht ertragen können, daß ihr Bruder Geld verschwende, während andere Menschen Not litten. In ihrer Empörung über die „Leichenschändung“ habe sie versucht, die Zeugin L. auf ihre Seite zu ziehen. Dabei sei zweifelsfrei über die Ermordung gesprochen worden. Die Übergabe von 10.000 Mark an Frau L. für die Suche eines „Killers“ sah das Gericht als erwiesen und als Kern der Schuld an. In keinem Fall habe das Codewort „Abtreibung“ für die Wiederbeschaffung des gestohlenen Schmucks gestanden, wie Ilona Hepp behauptete. Das Gericht hielt ihr zugute, das Vorhaben sei nur durch die „besondere Schlechtigkeit“ des Bruders ausgelöst worden. Ilona Hepp habe den Mordauftrag auch nicht weiterverfolgt. Allerdings konnte der Plan des „agent provocateur“ Nicolas Hepp – einen angeblichen „Killer“ zu schicken und Ilona Hepp in Haft zu bringen – nur durch den tatsächlich geäußerten Wunsch nach dem Tod des Bruders gelingen, argumentierte das Gericht.
Die psychischen Probleme der Angeklagten sind in der siebzehnmonatigen Haft unübersehbar geworden; oft wirkte sie verwirrt, beschimpfte ihre drei Verteidiger und hatte hysterische Ausbrüche. Spätestens nach dem Vortrag des psychiatrischen Gutachters, der bei der hochintelligenten Frau (IQ 145) eine verminderte Schuldfähigkeit sah, war ein geringes Strafmaß vorgezeichnet. Aufgrund eines Persönlichkeitsdefekts sei Ilona Hepp unfähig, über Monate hinweg eine zielgerichtete Mordplanung zu betreiben. Auch beim Bruder gebe es Hinweise auf eine Persönlichkeitsstörung.
Mit dem Urteil hat das Gericht der Rechtsordnung Genüge getan. Aufzuklären, wie es zu dieser existentiell-traumatischen Verklammerung zwischen den Geschwistern kam, ob nicht beide Opfer sind, damit war das Gericht überfordert.
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