: Betr.: "Memminger Staatsgewalt" (Memminger Staatsanwaltschaft filzt Arztpraxis), taz vom 28.12.93, "Memminger Krankenakten vernichtet", taz vom 29.12.93
Ach Du liebe taz, [...] von den Dingen, von denen ich was verstehe, hast Du leider keine blasse Ahnung. Zum Beispiel von Medizin. Da reichen Dir ein paar Reflexwörter wie „Chemotherapie“ (huch!) „Alternativmedizin“ (super!), „Universitätsklinik“ (pfui Teufel) und „Staatsgewalt“ (na, so was), und schon wird alles zu einem „ganzheitlichen“ Brei gerührt, daß am Ende gar – ganz gegen Deine sonstigen Gewohnheiten – ein Arzt (der arme, arme Herr Dr. Ernst aus Ulm) zum beklagenswerten Opfer erschröcklicher Intrigen wird. Weil's noch nicht so ganz überzeugt, wird schnell noch mehrfach das Stichwort „Memmingen“ genannt, damit den ahnungslosen LeserInnen gleich noch eine Assoziation zum völlig anders gelagerten „Fall Theißen“ suggeriert wird.
Verkleistert werden soll mit diesem Dummbrei eine einfache, wenn auch tragische Tatsache: Einem Kind, das dank(!) Chemotherapie bei einer Leukämie den ersten Schritt, die sogenannte Remission geschafft hatte, wurde von unverständigen Eltern die leider, aber unumgänglich notwendige weitere Behandlung mit hoher Erfolgsaussicht verweigert. Was jeder mit den Grundlagen der Tumortherapie vertraute Mensch voraussagen konnte, ist eingetreten: das Kind starb an einem Rezidiv – „völlig überraschend“ nur für eine Zeitung, der das Geschwafel eines Mathias Bröckers als „Wissenschaftskritik“ gilt.
So weit – so schlecht. Ich hab' mich damit abgefunden und lese und liebe Dich trotzdem. Bloß ist mir da jetzt ein Verdacht gekommen: Vielleicht ist's ja so, daß in Deiner Leserschaft alle Pädagogen Dich gut finden außer in bezug auf Pädagogik, alle Musiker gut außer in bezug auf Musik, alle Sozialwissenschaftler gut außer in bezug auf Sozialwissenschaften, alle Handwerker gut außer in bezug auf Handwerkerei... Und was würde das dann wohl bedeuten? Omm, Omm... Dr. Heiner Lempp,
Gammertingen
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