■ Kommentar: SPD-Feudalismus
In England purzeln Minister, wenn sie Frauen lieben, mit denen sie nicht verheiratet sind. In Baden-Württemberg stürzt ein Ministerpräsident, weil er sich Ferienreisen spendieren ließ. In Hessen nahm eine SPD-Ministerin den Hut, weil sie ihren Umzug nicht korrekt abgerechnet hatte. In Schleswig-Holstein stolperte ein Antiatomminister, weil er zuviel Geld in einer Schublade aufbewahrte.
Politische Moral, so könnte man meinen, beginnt nicht erst dort, wo der Staatsanwalt ermittelt. Hamburgs führende SPD-Juristen sehen das offenkundig ganz anders. Wo kein strafrechtlicher Vorwurf zu machen ist, gibt es keine Schuld. Bürgermeister Henning Voscherau, wir ahnten es, denkt eben konsequent rechtsstaatlich - nicht nur, wenn es um Grundgesetzänderungen gegen Ausländer und sozial Schwache, geht.
So hielten es Voscherau und sein dank Staatshilfe in der Stahlbranche tätiger Partei- und Seilschaftsgenosse Weiland gestern nicht einmal für nötig, auf die vom obersten Hamburger Souverän, der Bürgerschaft, gestellten drängenden Fragen nach Korruption, Bereicherung und gegenseitiger Vorurteilsnahme zu anworten.
Wie sie dabei von den willfährigen Hampelmännern der Statt-Partei und dem SPD-Linken Jan Ehlers unterstützt wurden, war schon ein Schritt weit unter die politische Schamgrenze. Gekoppelt mit dem entrüsteten Unschuldsbewußtsein von Voscherau & Co bewies Hamburgs politische Führung erneut, aber besonders drastisch, wie es um sie bestellt ist: Arroganz der Macht verbunden mit einer bodenlos verkommenen politischen Moral. Voscherau: „Wir sind die Hamburg Partei!“ Ludwig der XIV.: „L'etat, c'est moi!“ (Der Staat, das bin ich).
Eben: Feudalismus pur.
Florian Marten
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