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Mogelpackung Patchwork

■ Grüne Visionen für 16 Parkanlagen in Berlin bleiben Stückwerk / Lücke zwischen Vorstellung und Funktion: Parks werden unterm Diktat der Stadtentwicklung vernetzt

Mit dem politischen Umbruch im zusammengeflickten Berlin rücken die Natur- und Brachflächen der Stadt in den Blick der Stadtplaner. Aber der ersten Hoffnung, ungenutzte Flächen in kräftige grüne Lungen zu verwandeln, wird allmählich die Luft abgeschnürt. Ideen, wie etwa das grüne Parkband, das als durchgehende Süd-Nord-Verbindung von Steglitz über das Gleisdreick, den Moabiter Werder bis nach Tegel laufen sollte, werden auf Reißbrettern und schon mit Baggern „umgestaltet“ oder ausgedünnt. Andere Planungen zur grünen Vernetzung, wie noch die Ausdehnung der Buga '95 nach Ostberlin, sind obsolet geworden, weil wichtige Gelenkstellen im Spreebogen, am Potsdamer Platz oder in Mitte von Bauvorhaben besetzt werden. Stadtumbau und Investoren tragen – politisch gestützt – den Humus ab, der für das Netzwerk aus Parks und Freiflächen notwendig gewesen wäre.

Zugleich werden als Beruhigungspille neue Freiflächenstandorte – besonders in der östlichen Innenstadt und im Norden Berlins – ausgewiesen. Einerseits sollen sie die grünen Defizite in den Bezirken ausgleichen helfen und andererseits brachliegende Orte und große Landschaftsräume sichern. Stadtentwicklungssenator Volker Hassemer kündigte im Landschaftsprogramm (Lapro) für den Entwurf des Flächennutzungsplans (FNP) auf rund 4.000 Hektar Land 16 neue Freianlagen an, mit dem Ziel, den historischen Parkring sowie den peripheren Naturraum zu ergänzen.

Die neuen geplanten Stadtparks Eldenaer Straße (zehn Hektar), Alt-Stralau (15 Hektar), der große Volkspark auf dem Tempelhofer Flugfeld (100 Hektar), das Schöneberger Südgelände (16 Hektar) oder der Park auf dem Gleisdreieck (25 Hektar) sollen eine Komplettierung bestehender Parkanlagen wie etwa der Humboldthain, der Volkspark Friedrichshain oder der Treptower Park bilden. Sie versammeln sich quasi um die „grüne Mitte“, den „Central Park“-Tiergarten. Auf dem Stadtplan wird so die Idee des grünen Innenstadtkranzes wiederaufgenommen, mit der schon in den zwanziger Jahren mit Reformeifer zahlreiche Volksparks in das steinere Stadtbild gegraben wurden. 1908 entstand der Ludwig-Lesser- Park (6,4 Hektar), zwischen 1919 und 1928 wurden der Volkspark Köpenick (6,7 Hektar), der Volkspark Jungfernheide (160 Hektar) und der Parkring Tempelhof (5,3 Hektar) gestaltet. Bis in die dreißiger Jahre dauerte die Planung der Volksparks Mariendorf (17 Hektar), Wuhlheide (175 Hektar oder der Rehberge (89 Hektar). Im Unterschied zu den niedergelegten Wallanlagen anderer Städte waren die Freiräume nicht miteinander verbunden. Die expandierende Industriestadt übersprang nicht nur dieses Bild des grünen Gürtels, sie vergrößerte zugleich seine Lücken.

Doch die Einbindung der neuen Parkanlagen in dieses System überwindet den Vernetzungsmangel nicht. Die Freiflächen zeugen in der Topographie des Stadtgrundrisses von keinem homogenen Zusammenhalt. Vielmehr erinnert der Blick auf das Parkprogramm, daß mit heterogenem Grünmaterial nicht behutsam, sondern wie mit einem Puzzle gespielt wird. Gewonnen hat Berlin allenfalls Strukturen einer grünen Collage, eines Patchworks aus Freiflächen, Kleingärten und Parks. Ein System indessen vermißt man. Grünbiotope und wild gewachsene Flächen werden gestutzt, Parks für das Embellissement der nahen Umgebung geschaffen. Das ist nicht schlecht, reichen wird es nicht.

Die landschaftsplanerischen Überlegungen für das grenzenlose Berlin, etwa die Vision Norman Fosters für einen grünen Parkring entlang des einstigen Todesstreifens, blieben Papier. Die flirrende Naturszenerie entlang des Mauerstreifens wird beseitigt, der Grenzstreifen im kleinen „Mauerpark“ im Bezirk Prenzlauer Berg ungenügend konserviert. „Die Chance, die andere Städte nach dem Schleifen ihrer Befestigungsanlagen für eine Freiflächenentwicklung nutzten, wurde in Berlin vertan“, klagen die Landschaftsplaner Bert Grigoleit und Gudrun Giese in der Dezemberausgabe '93 der Fachzeitschrift Grünstift. „Die Mauertopographie wurde bis auf wenige Ausnahmen schnell und spurlos beseitigt.“ Eine Einbindung in das gesamtstädtische Freiflächensystem fände nur unzureichend statt.

Außerdem, so die beiden Landschaftsplaner, bestehe die Gefahr, daß die Priorität der Stadtentwicklung die Rudimente der Ringparkpläne noch zurückstutzt: Die Verteilung der Freiräume und ihr ökologischer Wert werden beschnitten. So fehlt im neuen Konzept der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung der Nordpark. Und der wertvolle Naturraum am Gleisdreick wird unter dem „Logistikzentrum“ Potsdamer Platz über Jahre regelrecht vergraben, trotz der berechtigten Kritik der Baustadträtinnen von Schöneberg und Kreuzberg, Ritter und Romberg, sowie ortsnaher Bürgerinitiativen.

Klaus Ermer, Mitautor des Landschaftsprogramms und Planer beim Senator für Stadtentwicklung, sieht dagegen die Strategie der inneren und äußeren Grünvernetzung noch gewährleistet, auch wenn etwa im zentralen Bereich vom „idealtypischen Bild“ der Grüntangente „am Potsdamer Platz weniger als die Hälfte zurückbleibt“. Das Lapro, so Ermer, verteidige darüber hinaus die Freihaltung der Spreeufer sowie die Strategie der inneren und äußeren Grünvernetzung. Doch bedeutet eine solchermaßen ausgehungerte „Grünvernetzung“ den Rückzug der Planer vor den Investoren und Planungen des Bundes auf die Ebene des schönen Scheins.

Die Landschaftsplanungen für den „äußeren Parkring“ fokussieren sich auf zwei Sektoren im Berliner Stadtplan: den Volkspark Lichterfelde (35 Hektar), den Landschaftspark Rudow-Altglienicke (80 Hektar) und den Park auf dem Gelände des ehemaligen Flughafens Johannisthal (63 Hektar) im Süden Berlins sowie die drei Landschaftsräume „Barnimpark“ (1.000 Hektar), „Buch“ (1.000 Hektar) „Blankenfelde“ (1.200 Hektar) im Nordosten Berlins. Hinzu kommen drei weitere Landschafts- und Naturflächen, nämlich an den Kaulsdorfer Seen (100 Hektar), die Umgestaltung des Wuhletals zum Park für Hellersdorf und Marzahn auf 500 Hektar und den Volkspark Staaken mit 30 Hektar. Östlich der geplanten neuen Quartiere soll der Grünzug in die Stadt „hineinlaufen“ (Ermer) und mit dem Wuhletal in Marzahn eine tangentiale Grünverbindung eingehen.

Aber wie schon bei der Großbaustelle am Gleisdreieck stehen auch die nordöstlichen Freiflächen in Konkurrenz zur Stadtentwicklung sowie zu den Planungen des Landes Brandenburg. Bei der Ausweisung neuer Wohnquartiere und Dienstleistungsflächen würden die Naturräume nicht gleichwertig behandelt, meint Wilma Glücklich, Geschäftsführerin der Berliner Park und Garten GmbH. Um dem Druck der Stadtplanung standhalten zu können, fordert Glücklich, die Eigenständigkeit der Grünplanung zu stärken und „strategisch“ zu planen. Landschaftsplanung dürfe nicht nachgeordnet an die Bauentwicklung angehängt werden, sondern müsse eigene Perspektiven entwickeln und rechtlich sichern, „damit natürliche Potentiale nicht buchstäblich zugebaut werden“.

Angesichts der Widersprüche zwischen Plan und Wirklichkeit, Vorstellung und Funktion, kann sich die bisherige Grünplanung noch nicht überzeugend vom Geruch einer Mogelpackung befeien. Nimmt die Stadtplanung nicht ihre Prioritäten zurück, gräbt sie dem eigenen Wunschprogramm naturräumlicher Einbettung sprichwörtlich das Wasser ab. Rolf Lautenschläger

Der überarbeitete Entwurf des Landschafts- und des Artenschutzprogramms Berlin wird öffentlich ausgelegt im Stadtforum, Wallstraße 27, 10179 Mitte. Öffnungszeiten: 17. Januar bis 16. Februar, montags bis freitags von 11 bis 19 Uhr, donnerstags bis 20 Uhr.

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