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Habichtsmord am Urlaubsort

■ Es lebe das Birkhuhn: Landwirtschaftsministerium läßt in der Eiderniederung Greife morden

Weil das Birkhuhn leben soll, geht es in Schleswig-Holstein dem Habicht an den gefiederten Kragen. Der geschützte Greifvogel, von dem es im nördlichsten Bundesland noch 350 bis 400 Brutpaare gibt, stirbt laut Vorwurf des Naturschutzbundes Deutschland zuhauf in den Fangkörben von Jägern. Dies sei durch eine Verordnung des Kieler Landwirtschaftsministeriums zum Schutz des Birkhuhns sanktioniert, bestätigte Greifvogelreferent Carsten Clemens. Das Jagdrevier: ein 41.000 Hektar großes Gebiet in der Eiderniederung der Kreise Schleswig-Flensburg, Dithmarschen und Rendsburg-Eckernförde.

Für 16 Birkhühner starb ein Mehrfaches an Greifen

„Ein schwachsinniges Morden“, empörte sich Clemens. Denn das Birkwild sei in Schleswig-Holstein ausgestorben und werde nur durch künstlich gezüchtete und dann ausgesetzte Vögel ersetzt. Diese könnten in den vom Menschen veränderten Mooren und Feuchtgebieten nicht auf Dauer überleben. Der vom Ministerium abgesegnete „Habichtsmord“ stoße international auf verständnisloses Kopfschütteln.

In einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der FDP-Landtagsabgeordneten Christel Happach-Kasan vermeldete das Landwirtschaftsministerium stolz, daß der Birkhuhn-Bestand von 26 Tieren 1989 auf 42 Vögel im Jahr 1993 gestiegen sei. Zu ihrem Schutz wurden 1989 nach offizieller Statistik 54 Habichte gefangen, 1992 waren es bereits 84 Greife, die von der lebenden Taube im Habichtskorb angelockt wurden. Zwar stehe in der Verordnung, daß Altvögel unmittelbar wieder frei zu lassen sind, doch eine Kontrolle sei kaum möglich, sagt Clemens.

Die Dunkelziffer der gefangenen und getöteten Greifvögel, die nicht unbedingt nur auf den Habicht beschränkt sein müsse, schätzt Clemens wesentlich höher ein. Oft sterbe der gefangene Greifvogel in der Falle oder verletze sich schwer. Die Lock-Taube überlebe durch ein schützendes Drahtgeflecht. In einem Bericht der Jagdbehörde Rendsburg von 1992 über eine Fangstellen-Kontrolle heißt es, daß auch Sperber, Bussarde, Eulen und Uhus gefangen und wieder entlassen wurden. Von 48 Junghabichten seien 31 an einen Falkner gegangen, sieben an einen Präparator und zehn gleich getötet worden.

Das Ministerium dagegen auf epd-Anfrage: „Alle gefangenen Jungvögel gehen lebend an einen Falkner.“ Der Regionalleiter der Ornithologischen Arbeitsgemeinschaft Hamburg/Schleswig-Holstein, Günter Busche (Heide), weiß auch, wie das Töten geschieht: „Hals umdrehen, Breitschlagen des Kopfes, Guillotinieren, auch Köpfen genannt.“ Heinke Ballin

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