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Glaubwürdig lallen für die SPD

Den Kampf um die Einschaltquoten hat die CDU längst verloren: Der Erfolg der Familienserie „Diese Drombuschs“ gibt einen vorzüglichen Einblick in die neuerdings wieder sozialdemokratische Grundströmung des Landes  ■ Von Jan Feddersen

„Wird Onkel Ludwig nun endlich seine Vera ehelichen dürfen?“ Die Frage aller Fragen wird auch an diesem Sonntag wieder 35 Prozent aller Fernsehzuschauer vor den Bildschirm locken.

Seit zehn Jahren freut man sich nun schon beim ZDF über den Quotenkiller aller Konkurrenzsendungen. Seit Neujahr widmen sich sechs weitere – laut Programminformation sind es die ultimativ letzten – Eineinhalbstunden-Häppchen den Gefühlen und Gebrechen einer hessischen Mittelstandsfamilie.

Kaum ein Fernsehkritiker hat sich bisher getraut, das Geheimnis des landesweiten Erfolgs der „Drombuschs“ zu ergründen; zu unkonform ist die Serie, als daß ihr enormer Zuschauerzuspruch vorhersehbar gewesen wäre. Weder verfügen die „Drombuschs“, deren erste Teile 1983 schon das Volk an die Mattscheibe bannte, über den handgestrickten Charme der „Lindenstraße“, noch gibt sich die Serie so anspruchslos wie der Vorabendmehrteiler vom „Landarzt“.

Quoten bis zu 50 Prozent allerdings beweisen: Die „Drombuschs“ werden offenbar nicht nur, wie ein Kritiker vor Jahren mutmaßte, von den dösenden Bataillonen der Altenheime gesehen, sondern letztlich quer durch alle Schichten. Am Beispiel des Teleclans um die allzeit steifnackige Witta Pohl (in der Rolle der Vera Drombusch) wird deutlich, daß TV-Quoten-Erfolg immer auch von den politischen Grundströmungen einer Nation abhängig ist.

In den USA läßt sich diese Tendenz am Beispiel des Siegs Billary Clintons aufzeigen. Dominierten lange vor dem Triumph der Reaganomics Ende der siebziger Jahre schon TV-Produkte, die den (vietnamgeschädigten) amerikanischen Mann stark und seine Frau püppchenhaft schwach ins Bild setzten, bewies der Chartführer, die Geschichte der raffgierigen „Dallas“- Leute, daß in den achtziger Jahren das amerikanische Volk mit eher demokratischen, zumindest problemorientierten Geschichten nicht behelligt werden wollte. Der „Denver- Clan“, die Opulenz in Intriganz und Luxus, setzte in ästhetischer Hinsicht den Yuppieachtzigern dann die „Dynasty“-Krone auf.

Schon eine Zeit vor dem Sieg der Demokraten kündeten Quotenerfolge ganz anderer TV-Serien einen möglichen politischen Richtungswechsel in den USA an. Vor allem die Juristenserie „Law & Order“ machte Furore. Zu sehen war (und ist hierzulande derzeit bei RTL) die Geschichte einer gar nicht ärmlichen Anwaltskanzlei in Los Angeles. Die Charaktere waren durchaus nicht auf Sozialarbeiterniveau angesiedelt, und die Figuren wären auch in Plots einsetzbar gewesen, die dem „Jung-erfolgreich-dynamisch“-Image der Protagonisten äußerlich eher entsprochen hätten: sie hätten auch Drogenanwälte in „Miami Vice“ spielen können.

Doch anders als die Leute aus Florida in ihren schicken Klamotten und mit ihren lediglich in der eigenen Person angesiedelten Konflikten, handelten die Geschichten der kalifornischen Anwälte von echten Problemen – die nicht mehr ästhetisierbar, sondern nur noch politisch zu begreifen sind. In der amerikanischen Filmgeschichte bilden sich im übrigen ähnliche Tendenzen ab. Würde erst jetzt der „Terminator“ erfunden, hätte er wahrscheinlich bei den Marktforschern keine Chance. Nur ein geläuterter Arnold Schwarzenegger scheint den Filmproduzenten der Kundschaft der Neunziger zumutbar – ein lasches Jahrzehnt für echte Fighter.

Jedes Kundensegment in Deutschland bekommt seine eigene Lieblingsserie. Die Grünen mögen am ehesten die „Lindenstraße“ (mit dem Charme wirklicher Abgründe), eingefleischte CDU-Menschen labten sich dereinst an den ersten Staffeln der „Schwarzwaldklinik“ oder besagtem „Landarzt“ samt Heimatliebe.

Vorabendserien wie der „Fahnder“, hemdsärmelig verpackt und flott gestrickt, sprechen dagegen vor allem sozialdemokratische Kundschaft an, die Polizeischmonzette „Großstadtrevier“ zieht den SPD-Facharbeiter mit Hang zu Law&Order- Lösungen an, der aber gleichzeitig eine soft konturierte Bereitschaft mitbringt, dem Fremden (Ausländern, Punks, Frauen) zumindest eine faire Chance zu geben. Die klassische SPD-Serie für die große Koalition ist schon lange im Programm. Für liberale Christdemokraten nicht abstoßend heilt und eint Günther Pfitzmann die gesellschaftlichen Gegensätze in seiner „Praxis Bülowbogen“. Motto: Mensch Nachbar! Alle diese Stories stellt das Produkt „Drombuschs“ freilich locker in den Schatten: Der auch politisch evidente Unterschied besteht darin, daß „Drombusch“-Autor Robert Stromberger in seiner Serie die Probleme nicht nur benennt, sondern auch mit deutlichem Hang zum alltäglichen Detail auswalzt.

Ob es nun Schwierigkeiten mit dem Aufbau eines kleinen Antiquitätengeschäfts waren, die Thematisierung des Lebens einer Singlefrau mit Kind, eines Polizistensohnes, der durch Hooligans ums Leben kommt, ob es Hinter- und Abgründe waren, die vom fehlenden Brückenschlag zwischen den Generationen handelten oder – wie jetzt – von der Tablettensucht der Vera Drombusch (mit einer wunderbar glaubwürdig lallenden Witta Pohl): die „Drombuschs“ verkörpern die sozialdemokratische TV-Familie par excellence.

Keine Pseudosorgen werden hier thematisiert, überhaupt kann von heiler Welt keine Rede mehr sein. Wie Ende der sechziger Jahre die „Unverbesserlichen“ (mit der Inge Meysel ihr Image als Mutter der Nation zu Glanz brachte), bereiten die „Drombuschs“ einen Politikwechsel vor. Einen – wie könnte es anders sein – nach Scharpingschem Muster des bodenständigen Süddeutschen. Kein schwitzendes Flair wie in der „Lindenstraße“ – die „Drombuschs“ sind guter sozialdemokratischer Mittelstand. Versöhnen statt spalten in voller Kenntnis des schlechten Zustands der Welt.

Die „Drombuschs“, in zehn Serienjahren trainiert in allerlei Sensibilitäten, ernten nun die Gunst, die ihnen längst zuteil wird und die zwangsläufig im Herbst der SPD zufallen wird: bloß keine Experimente, Hauptsache, die Menschen verstehen einander wieder. Ökologisch hochsensibel sind die Bewohner der alten Mühle einer zutiefst langweilenden Glaubwürdigkeit verpflichtet. So sind die heimlichen Volkshelden der neunziger Jahre beschaffen. Nationalismus hat keine Chance, Ausgrenzen von sozialen Minderheiten schon gar nicht: Witta Pohl war und ist mithin die hartnäckigste Wahlhelferin einer in einem Dreivierteljahr vermutlich siegreichen Sozialdemokratie.

„Diese Drombuschs“, Folge 6, Sonntag, 20.15 Uhr, ZDF

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