: Begegnungen mit dem Raum widerspiegeln
■ Licht und weit: Das neue Kultur- und Freizeitzentrum für Berlins Gehörlose
Wenn Gehörlose sprechen, umschreiben sie Räume, die weiter, größer sind als die bei verbaler Kommunikation. Die Gebärden fordern den Kontakt mit dem Raum quasi heraus, sind alles andere als auf sich selbst zurückgeworfene Gesten der Isolation. Das neue Kultur- und Freizeitzentrum für Gehörlose in der südlichen Friedrichstraße spiegelt in seinem Innenleben diese Begegnungen mit dem Raum. Die Wege in dem U-förmigen Bauensemble zeugen mehr von Verbindungen als von abseitigen Orten. Die Zimmer erscheinen zum Teil als hohe Etagen, die Räumlichkeiten für Theater- und Discoveranstaltungen als Haus-im-Haus-Typen.
Das Gehörlosenzentrum geht auf die Planungen der Berliner IBA Mitte der achtziger Jahre zurück. Damals wurde entschieden, neben dem Altbau Friedrichstraße 10, in dem bereits die Gesellschaft für Gehörlose in Berlin residierte, auf zwei benachbarten Parzellen zusätzliche Neubauten zu errichten. Die Berliner Architekten Maedebach und Redeleit sowie der schottische Architekt Doug Clelland lieferten die Entwürfe für das Kultur- und Freizeitzentrum. In den Obergeschossen konnten außerdem 27 Sozialwohnungen untergebracht werden. Die beiden Architekturen schlossen sich direkt an den Altbau an, der von Joachim Schmidt saniert wurde.
Heute erscheinen die drei zu bunt geratenen Bauten in der Ansicht wie Einzelhäuser, die die historische Struktur der Friedrichstadt mit ihrer einst typischen Parzellierung weiterstricken. Zugleich übernimmt der mittlere Bauteil der Architekten Maedebach und Redeleit das othogonale Raster der Fassade des Altbaus und den zirkelschlagenden Maßstab von 22 Meter Traufhöhe. Clellands Architektur dagegen löst die etwas simplen und abstrakten Formen der kritischen Rekonstruktion auf.
Die Dreiteilung der Fassade als Reminiszenz an die Geschichte ist im Innern gänzlich verschwunden. Zwar existieren noch drei Stiegenhäuser. Sonst findet sich nichts mehr von der Parzellierung. Der 250 Personen fassende Veranstaltungsraum etwa reicht über alle drei Häuser. Dieser Raum wurde als technische Finesse entwickelt. Der Saal hängt als eigens entwickelte Betonkonstruktion schall- und vibrationstechnisch wie eine Zelle im Gebäude.
Das von der GSW realisierte Bauensemble entstand in einer Bauzeit von zweieinhalb Jahren. Die Kosten des Gehörlosenzentrums liegen bei rund 14 Millionen Mark. Für den Wohnteil belaufen sich die Kosten auf 12 Millionen Mark. In der Planung enthalten sind zusätzlich vier Läden im Erdgeschoß und eine Tiefgarage mit 30 Stellplätzen. rola
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen