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Plastische Fragmente

■ Stand der Dinge: Taboris Erzählung „My Mother's Courage“ als Theaterstück

Angeblich beruht die Erzählung auf der Wahrheit, auch wenn sie in ihrer Ausmalung doch deutlich die zuschlagende Phantasie George Taboris aufweist. Es ist die Geschichte seiner Mutter, die auf dem Weg zu einer Bridgepartie bei ihrer Schwester von zwei Polizisten verhaftet und zur Sammelstelle für einen Auschwitz-Transport gebracht wird. Nach einer kurzen Fahrt im Viehwaggon, bei dem die 60jährige im Dunklen einen Mann sich an ihr befriedigen läßt, weil es doch das letzte Mal ist, trifft sie auf einem Bahnhof, der als zweite Sammelstelle fungiert, einen alten Freund ihres bereits verhafteten Mannes. Dieser überredet die schicksalsergebene Frau, bei dem deutschen Offizier zu protestieren und tatsächlich schickt dieser sie, nachdem sie erklärt hat, sie sei Inhaberin eines Schutzpasses des Roten Kreuzes, nach Hause zurück. Auf der gemeinsamen Rückfahrt mit dem Offizier referiert dieser ihr dann von der Un“mensch“lichkeit des Tierverzehrs, philosophiert über die Schmerzensschreie von Lilien und Kohlköpfen und legt ihr schließlich offen, daß er sie am Bahnhof ohne weitere Überprüfung ihrer Aussage entkommen läßt. Etwas verspätet kommt sie noch zu ihrem Bridgetreff, während die viertausend anderen Juden nach Auschwitz in die Vernichtung transportiert werden.

Das Zelt Ensemble Theater aus Tübingen, das im Rahmen des Werkforums „Stand der Dinge“ My Mother's Courage zeigte, versucht mit seiner Übertragung einen Mittelweg zwischen George Taboris zynisch-herzlicher Inszenierungssprache und den Mitteln des umherziehenden freien Theaters. Mit einem Videoprojektor, der Straßenfahrten zeigt, einer elektrischen Eisenbahn und wenigen weiteren Requisiten erzählen Crescentia Dünßer, Peter Schwietzke und eine Tonbandstimme mit geringem szenischen Aufwand Taboris Text. Zwar gerät ihnen die Annäherung an dessen kühne und kluge Tabuverletzungen gelegentlich zu stark klamaukig, etwa wenn die Schauspieler im Rotlicht alberne Tanzszenen vollführen. Aber gerade zum Ende hin beginnt die Verquickung von Spielszenen, Erzählung, Projektionen und Text plastisch zu funktionieren.

Otto Kuklas Inszenierung der Fragmente und wechselnden medialen Ebenen weist dem Wortlaut die vorherrschende Rolle zu. Die verschiedenen Illustrationen funktionieren dabei nur in den seltensten Fällen wie einfühlendes Schauspiel, sondern fragen nach der Phantasie und Reflexionskraft des Beobachters. Ein spannender Versuch, Tabori einmal anders zu spielen.

Till Briegleb

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