: Schöne dicke Füße
■ Fotoausstellung behinderter Frauen im Frauenkulturhaus: Von erotisch bis sexuell und nackt Von Annette Bolz
Schimmernder Satin windet sich schlangengleich, eine helle Rose, wie gebettet, durchkreuzt das Bild. Sechs wohlgepflegte, weiche Füße sind darauf zu sehen; je zwei anmutig nebeneinandergelegt bilden sie eine Menage a trois. Eine hocherotische Aufnahme. Doch sie unterscheidet sich drastisch von anderen Fotos dieser Art: Die Füße gehören behinderten Frauen. Sie sind dick oder verkrüppelt.
Dieses Bild ist eines von 26, das in der Foto-Ausstellung „Geschlecht: behindert – Merkmal: Frau“ im Frauenkulturhaus Harburg zu sehen ist. Initiiert wurde sie von den drei Fußbesitzerinnen selbst, die für alle Aufnahmen einem befreundeten Hobby-Fotografen Modell standen oder lagen. Die drei Heidelbergerinnen Annette Albrecht, Anette Emrich und Heike Schmidt wollten durch diese Bilder zu einem anderen Selbstbildnis und Selbstverständnis von Behinderten beitragen.
Nicht nur ihre Umgebung, sondern auch sie selbst sahen früher nichts Erotisches oder Attraktives an Behinderten. Meist haftet den Gehandicapten die Aura des Geschlechtslosen an – darauf bezieht sich auch der Ausstellungstitel. Als Neutra fühlten sie sich aber nicht. Die Fotos entstanden anläßlich einer Frauen-Tagung mit dem Titel „Wie erlebe ich mich selbst als Frau?“ „Wir sind damit auf Klischees und Frauen-Stereotypen eingegangen“, erzählt Heike Schmidt. Aus der Verquickung von üblicher Sex-Symbolik mit der Negierung des konventionellen Schönheitsideals enstanden höchst überraschende, mutige, humorvolle und schöne Bilder.
Manche Fotos wirken sogar noch verruchter als jede noch so professionelle Erotikaufnahme. Denn gerade durch die Behinderung wird die sexuelle Symbolik von Strapsen, langen Zigarettenspitzen und schummrigem Licht noch hervorgehoben: Aus ihrem sattsam bekannten Kontext gerissen, bekommen sie in ihrer bislang neuen Umgebung doppelte Kraft und betonen die Körper umso mehr.
Allerdings stoßen die Heidelbergerinnen mit ihrer politischen Foto-Ausstellung nicht immer auf Zustimmung. Manche Männer beurteilten die Fotos als niveaulos, einige Frauen warfen ihnen vor, sich zum Sexualobjekt schmieriger Phantasien zu machen. Doch durch die Aufnahmen erkannten sich die drei Frauen als Sexual-Subjekt. „Auch im Rollstuhl kann man flirten“, lachen sie. „Außerdem sehen wir uns jetzt immer weniger als Behinderte. Die Unterschiede sind nicht mehr so wichtig“, erklärt Heike Schmidt.
Die Ausstellung, die schon in mehreren süddeutschen Städten zu sehen war, steht bis zum 26. Februar im Frauenkulturhaus. Die Einnahmen kommen dem Heidelberger „Ganzheitlichen Bildungs- und Beratungszentrum für behinderte Frauen“ zugute. Diese Einrichtung wurde von Schmidt, Emrich und Albrecht erst kürzlich ins Leben gerufen.
Frauenkulturhaus Harburg, Küchgarten 10, Mo 10 - 13 Uhr, Di 9 - 11 und 17 - 19 Uhr, Do 15 - 18 Uhr. Nur für Frauen.
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