Sanssouci: Vorschlag
■ Tschechische Rockmusik im Roten Salon der Volksbühne
Zástup Jiných Foto: Tschechisches Zentrum
Es gehört zur neuen Freiheit junger tschechischer Rockmusiker, das Auditorium mit infernalischem Independent-Getöne zuzudröhnen. Die Besucher hüpfen schwitzend umher, und durch die Gemäuer zieht der süßliche Duft südländischen Rauchkrauts. Das geht fast jede Nacht so. Das macht Spaß. Und das kann man in den Prager Musikschmieden prima beobachten: im Borát oder im Bunkr, im Na Petynce oder im Rock-Café; verruchte Talentschuppen sind das, die den Kritikern mittlerweile nennenswerte Newcomer vor die Feder gesetzt haben. Im Ausland schreibt man gerne voreilig, daß diese Gruppen in der Hoffnung auf eine internationale Karriere Stile westlicher KollegInnen adaptieren – nur weil sie neuerlich „echte“ Markenjeans tragen. Doch diese Freaks tönen in ihrer eigenen Welt, machen als neue Generation tschechischer Rockmusik von sich reden.
„Kurtizány z. 25. avenue“ (Kurtisanen der 25. Avenue) und „Zástup Jiných“ (Ein Haufen anderer) gehören zu dieser Welt. Die Kurtisanen werden auf dem heimischen Markt als eine der besten Live-Bands an der Moldau gehandelt. Sie möchten „Energie weitergeben“, sagen sie, positive, aber auch „störende“. Und dementsprechend ist die Musik: Harmonische Gitarrensoli münden nicht selten in einen merkwürdigen Klangwirrwarr, ein dunkler und magischer Sound, der seine „Wurzeln in primitiven Ritualen“ hat. „Ubiqity“ heißt ihre erste LP, sie wurde unlängst beim tschechischen Label „Monitor“ herausgegeben. Die Songs der Band gehen inzwischen über den Äther sämtlicher Radiosender Prags.
Zástup Jiných formierten sich 1991. Zunächst versuchten sich die fünf Musiker in technisch ausgereiftem Trash-Metal mit psychedelischen Elementen. Erst nachdem der jetzige Gitarrist Milan Hoffman dem abgeschmackten Hardcore-Musiker Michal Tůma den Platz streitig machte, änderte die Band ihren Kurs. Aber das Erbe der Gründerzeit ist nicht zu überhören: Ihre Musik ist laut, monoton und stürzt zuweilen in eine aggressive Schwärze, die wiederum ganz prima zu den (englischsprachigen!) Texten paßt: „I saw you like a bucket full of shit“, heißt es in einem Song, der das Treffen auf einem Friedhof beschreibt.
Es gehört zum guten Ton junger tschechischer Rockmusiker, abgedrehtes Zeug zu philosophastern, sich gleichzeitig aber nicht so ernst zu nehmen. Die Kurtisanen mixen „Wein mit Milch“, marschieren wöchentlich zum Aids-Test und sind sich sicher, die beste Gruppe schlechthin zu werden – vorausgesetzt, sie werden „nicht von einem Auto überfahren“. Tomas Niederberghaus
Heute, 22.30 Uhr, im Roten Salon der Volksbühne, Rosa-Luxemburg-Platz, Mitte.
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