piwik no script img

Nicht Kür, nur Pflicht

■ Innensenator exekutiert Seifenblasen

Die Jahrespressekonferenzen der verschiedenen Senatsverwaltungen gehören zum politischen Ritual. Da werden nicht Schwerpunkte der künftigen Arbeit skizziert, sondern die vergangene bilanziert. Nicht Kür, sondern Pflicht. Und weil jeder Senator, will er es bleiben, seine Effektivität beweisen muß, ähneln sie Siegesbilanzen. Gar kein Problem, wir haben alles im Griff.

Das war gestern bei der Veranstaltung von Innensenator Dieter Heckelmann (CDU) nicht anders: Die Verwaltung funktioniere hervorragend, schwärmte Heckelmann, der Stellenabbau laufe sozialverträglich, versuchte er weiszumachen, und werde durch Teilzeitarbeit noch sozialverträglicher, und durch die Privatisierung einzelner Bereiche spare man auch in Zukunft viel Geld.

Auch im ureigenen Law-and- order-Bereich gebe es Erfolge zu vermelden. So sei in ganz Deutschland ein dramatischer Kriminalitätsanstieg zu verzeichnen, aber in Berlin habe sich die Lage durch das „Engagement der Polizei“ stabilisiert. 550.000 Straftaten wurden 1993 begangen, das seien nur 1,7 Prozent mehr als 1992. Die 1,7 Prozent gingen „im wesentlichen“ auf das Konto der „Anti-Olympia- Straftaten“, auf fremdenfeindliche Anschläge, auf die Verfolgung der Regierungskriminalität der ehemaligen DDR, auf die zunehmenden Vermögens- und Fälschungsdelikte und auf die zunehmende „Ausländerkriminalität“ zurück. Hier sei eine „überdurchschnittliche Beteiligung“ bei Raubüberfällen, Ladendiebstählen, Schwarzfahren und Urkundenfälschung zu registrieren. 30 Prozent der tatverdächtigen Ausländer seien Asylbewerber. Aber weil Berlin das neue Asylrecht konsequent „exekutiert“, das heißt sechsmal mehr Personen als im vergangenen Jahr abgeschoben hat (3.175), sehe die Zukunft besser aus.

Überhaupt die Wörter „Exekutive“ und „exekutieren“. Der Innensenator verwendete sie innerhalb einer Stunde siebenmal. Weil inzwischen mehr Kriegsflüchtlinge aus Ex-Jugoslawien von der Stadt versorgt werden müssen, als sie vertragen kann, „werden wir zu exekutiven Maßnahmen gezwungen sein“, sagte Heckelmann. Nur dem Zigarettenschmuggel sei mit „exekutiven Maßnahmen“ nicht beizukommen, weil Vietnam die kriminellen Vietnamesen nicht wiederhaben will. Da muß auf höchster Exekutive noch einiges beschlossen werden. Anita Kugler

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen