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■ Ein „Club nur für die Dame“ vertritt hohe Ziele:„Wir geben Orgasmusgarantie!“

Holzwickede (taz) – Sexueller Notstand bei Frauen – nein, das muß nicht sein! Für die, die's mag, lauert nämlich die Erfüllung in einem Fachwerkhaus in Holzwickede bei Dortmund. Auf sanftes Klopfen an der Eingangstür öffnet sich unverzüglich eine Luke. Auch die allerletzte Innovation des ältesten Gewerbes der Welt kennt die Gesichtskontrolle für die Befriedigungswilligen. Im Allerheiligsten gelandet, rückt sich sodann der Harry (41) ins Blickfeld. Er ist der Chef aller Liebesdiener. Gut sieht der Mann aus, so recht zum Gernhaben: des Clubbesitzers Antlitz umrahmen Augengläser von tropfenförmigem Zuschnitt, wobei jedes, mehr als dezent, in schlichtes Rosarot getönt ist.

Die Geschmackssicherheit seines Outfits wird durch eine ziemlich braune Sakko-Hosen-Kombination noch eindrucksvoll unterstrichen. Komplettiert wird die Charaktercharge durch ein Odeur, das zwischen Rosenblüten, Moschus und Männerschweiß-Extrakt changiert.

Was hat der professionelle Frauenfreund zu seinem Etablissement zu sagen? „Für die Männer gibt's ja an jeder Ecke was“, erläutert der Erneuerer des Sexualgewerbes zunächst Bekanntes. „Irgendwie bleiben die Frauen dabei auf der Strecke“, beschreibt er ein in seinen Augen evidentes Dienstleistungsdefizit. „Das war eigentlich der Grundgedanke, die Sache mal anzupacken, mal 'n bißchen Geld zu investieren“, bekennt sich der Szenekundige zu seinem unternehmerischen Kalkül. Jetzt wird, dank Harrys Erkenntnisvermögen, jeweils am ersten und am letzten Sonntag im Monat, und zwar unmittelbar nach der Lindenstraße, die Welt mit dem ersten nordrhein- westfälischen „Club nur für die Dame“ beglückt.

Weil sich das hiesige Clubleben nicht aus der Konterbande der Spesenritter speist, sondern eher von Abgespartem aus der Haushaltskasse, verzichtet das Etablissement generös auf das Entgegennehmen von Kreditkarten. „Aber Euroschecks werden akzeptiert, die sind nämlich so gut wie Bares“, schwört Marko (25), der sich bei einem Pils die Wartezeit zum nächsten Aktvollzug verkürzt. In seiner Latzhose mit kniehoch abgerupften Beinen und bloßer Heringsbrust verkörpert er durchaus überzeugend den Typus des knabenhaften Lovers. „Durch das Fernsehen, und was die in Amerika am Tag verdienen“, sei er, ein gelernter Automechaniker, auf den Kopulationsjob gekommen.

Pferdeschwanzträger Micky (25) hält gar eine Weltanschauung bezüglich seiner lukrativen Nebentätigkeit bereit: „In der Diskothek quassel' ich mir bei den Frauen die Lippen fusselig, da lass' ich Kohle ohne Ende, hier kommen die Frauen auf mich zu, und ich krieg auch noch Geld dabei.“

Ab 200 Mark kann frau im hiesigen Frauenpuff auf ihre Kosten kommen. „Aber das is dann nur Standard“, warnt Micky knickrige Lustsuchende, „bißchen streicheln, Nippel knutschen, GV gemacht und fertig.“ Schließlich hat das Gewerbehaus mit einer Sauna, einem Whirlpool und einer Badewanne die ganze Palette dionysischer Genüsse auf Lager. „Knetemäßig sind nach oben überhaupt keine Grenzen gesetzt“, giert Kai (21), der einen erregenden Schmerbauch mit sich führt, „du mußt nur auf die Frau eingehen, dann zahlt die auch 'n Riesen.“

Mit aller Raffinesse haben die Männer der gewissen Stunden kürzlich für ihre Profession geworben. In Diskotheken verteilten die Gunstgewerbler Handzettel („so 'ne Art Visitenkarten, so an die Tische vorbei, wo die Mädels standen“). Die untypische Werbeidee zeitigte ungeahnte Folgen: „Das Geschrei war groß“, schwärmt Micky mit einem komfortablen Southern in der Hand, „kein Wunder, da ist 'ne Horde Weiber, und du schmeißt dazwischen, ,hier kannste gefickt werden‘.“ Trotz allem kann selbst bei den Holzwickeder Loverboys der Aktvollzug gelegentlich zu einem Standardproblem werden, am Premieresonntag hatten wohl manche Jungs noch den Amateurstatus. „Unsere erste Alte war im Endeffekt mit acht Typen auf dem Zimmer, hat aber am Ende gekriegt, was sie wollte, für denselben Preis.“

Zum Ausgleich leistet sich der Puff am Rande des Ruhrgebiets als Kollisionsfigur den professionellen Pornodarsteller Kurt (22). Der Alpenländler mit dem Wiener Schmäh macht es recht selbstbewußt und ziemlich dicke: „Ich bin der absolute Spezialist auf dem Gebiet des Verwöhnens“, wirft er sich in die kaum behaarte Brust. „Meine Spezialität ist zärtlicher Sex, zweimal am Tag ist mein Limit, davon kann ich angenehm leben.“ Gern ist der Hardcore-Filmstar bereit, seine spezielle Kunst auch vor einer aktiven Kamera zu demonstrieren. In einem der neun Zimmer des Jungmännerhauses bestünde mit einer professionellen Partnerin dazu die Gelegenheit.

Für das leidlich seriöse Berliner Haus, nein danke! Dagegen steigt der alte Schmuddelsender begeistert auf kostenlosen Live stunt ein.

Am Tresen unten löst derweil eine Minute die andere ab. Der Männer-Sexbetrieb beruht weniger auf der Klopffestigkeit seiner Akteure als auf deren Fähigkeit, während der Schicht stundenlang die Zeit totzuschlagen. Weil hier nicht etwa junge, sondern eher etwas ältere Frauen kommen, quillt guter alter deutscher Schlager abtörnend aus den Boxen. Ob die Erregung der angeblich „aus die ganzen gesellschaftlichen Schichten“ kommenden Kundinnen tatsächlich rasend wächst, wenn Mathias Reim im Barraum tausendundeinmal „Mensch, ich lieb dich“ quengelt? Sich an Getränken verschiedener Härtegrade vergehend, bestärken sich die knapp zehn Potenzprotze ihres Glaubens, irgendwie schon die Größten zu sein. Und irgendwie schon den Allergrößten zu haben.

„Wir sind alle nicht von schlechten Eltern“, behauptet stolz Andy (20). Der braungebrannte Bodybuilder sitzt breitbeinig am Tresen. Er verhüllt sich und seinen Schwanz mit einem fashionablen Körpersocken. Ein Pittbull-Baby mopst müde zu seinen Füßen herum. Zwei Jahre einschlägige Berufspraxis hat Andy bereits. Dennoch hat unser sportiver Lover mitunter zwei Probleme in seinem Job: Grundsätzlich „fängt die Arbeit an, wenn die Frau nicht so megamäßig aussieht“, meint er. Auch wird es einfach „anstrengend, wenn es die vierte, fünfte Frau hintereinander ist“. Denn weil Harrys Club „nicht irgend so ein Bumms ist“, wie der Chef des Hauses gern betont, müssen seine Jungs auf den Zimmern knüppelhart rackern. „Wir geben nämlich Orgasmusgarantie“, wirbt Kai und streichelt sich über seinen Bauch, „ich mach' dafür extra 'ne Bierdiät“. Auch Harry trinkt noch eins und entwickelt seinen Stechern jetzt seinen ganz intimen Traum. „Wenn ihr richtig eingeschlagen habt, Jungens, dann kommen auch Kaffeefahrten und Kegelclubs nach hier, dann is hier Fettlebe angesagt.“ Und wenn wider Erwarten der Schmalschwanz bei euch Küchenmeister wird, Jungens, dann könnt ihr euch vielleicht immer noch selber ficken! Thomas Meiser

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