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Der Bundesanwalt schaut gerne weg

■ Kein Verfahren wegen Beihilfe zum Völkermord an Kurden

Bonn (taz) – Bei der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe arbeiten offenbar Juristen, die weder Hörfunk- noch Fernsehnachrichten verfolgen und auch keine Zeitungen lesen. Eine Anzeige wegen Unterstützung des Völkermordes der türkischen Regierung in Kurdistan durch die Lieferung deutscher Waffen dürfen diese Bundesanwälte trotzdem bearbeiten. Anders ist nicht zu erklären, daß die Juristen die Eröffnung des Verfahrens mit der Begründung ablehnen, sie sähen nicht einmal Anzeichen für einen „Anfangsverdacht“, daß in Kurdistan tatsächlich Völkermord verübt wird. Daß das türkische Militär bei seinem Vorgehen gegen Zivilisten deutsche Waffen einsetzt, ist deutschen Politikern und der Öffentlichkeit bekannt, wie Vertreter von Bündnis 90/Die Grünen und mehreren Menschenrechts- und Anwaltsvereinigungen gestern in Bonn feststellten. Sie wollen trotz des Mißerfolgs weiter versuchen, die Bundesregierung und deutsche Rüstungsfirmen anzuklagen.

Fast ein Jahr lang prüfte die Bundesanwaltschaft die Anzeige, bevor sie am 30. Dezember 1993 mitteilte, es werde kein Verfahren eröffnet. Dabei hat sich der Bearbeiter nach Meinung des Bremer Rechtsanwalts Hans-Eberhard Schultz nicht einmal die Mühe gemacht, sich die beigefügten Beweismittel anzusehen. Deswegen werde er nun beim Generalbundesanwalt Dienstaufsichtsbeschwerde erheben. Ein Verdacht auf Völkermord ist nach Meinung des Anwalts schon gegeben, wenn regionale Militärbefehlshaber den Befehl zur Zerstörung von Wohnvierteln geben. Für solche Befehle lägen aus Kurdistan in Gestalt von Funkaufzeichnungen Beweise vor. Die Strafanzeige umfaßt nach Angaben von Schultz mehr als 100 Seiten und enthält Aussagen von Opfern und Augenzeugen.

Doch deren Aussagen wurden in Karlsruhe nicht geprüft, kritisierte Angelika Beer, Bundesvorständlerin der Bündnisgrünen. Vielmehr hätten die Juristen sich ausschließlich auf Auskünfte des Auswärtigen Amtes, der deutschen Botschaft in Ankara, der Geheimdienste und der türkischen Behörden verlassen. Damit hätten sie die „Angeklagten zu Zeugen der eigenen Unschuld gemacht“. Die deutsche Gerichtsbarkeit habe sich mit ihrer Entscheidung in eine „politische Abhängigkeit und Parteilichkeit“ begeben.

Die KritikerInnen der Waffenlieferungen an die Türkei wollen die deutsche Politik nun vor der Menschenrechtskommission in Straßburg anklagen. Das Gremium könne ein „förmliches Verfahren“ gegen die BRD einleiten. Nach Auskunft von Schultz ist Beihilfe zum Völkermord nach deutschem Recht mit lebenslänglicher Freiheitsstrafe bedroht. Bei mildernden Umständen sei aber durchaus auch eine Strafmilderung denkbar. H. Monath

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