: Cello und Maschine
■ Gelungene Eröffnung des 8. Kabarettfestivals auf Kampnagel mit Matthias Deutschmann und Mikki Malör
Matthias Deutschmann
„Der Anfang ist gleich vorbei“, versprach Matthias Deutschmann zu Beginn seines Programms Wenn das der Führer wüßte und eröffnete damit gleichzeitig am Dienstagabend das 8. Kabarettfestival auf Kampnagel. Einer poetischen Untermalung gleich, zupft und streich(el)t er dabei sein Cello, ohne daß der bissige Kabarettist auf der Bühne kaum denkbar ist. Mit der „Sinnestäuschung auf Bahnsteig vier“ legt er dann richtig los. Bad Kleinen ist das Thema: „Man kann von der deutschen Polizei nicht verlangen, daß sie dort hinsieht, wo sie hinschießt“. Bösartige Gedanken macht sich Deutschmann über die nachlassende Anschlagtätigkeit der RAF, die eben auch keine Lust mehr habe, den Wahlkampf der CDU zu illustrieren. Er holt in großem Bogen aus, die Reaktion des Publikums als seinen „Kalauerdetektor“ immer miteinbeziehend.
Überhaupt solle sich Helmut Kohl doch in einen gelben Müllsack wickeln, dann könne man es besser erkennen, falls er mal Wiederverwertbares von sich gäbe. Schade, witzelt Matthias Deutschmann, eigentlich habe sich die Kabarettistenzunft einen gewissen Heitmann als Dauerbrenner vorgestellt, den „Mienenhund“ Kohls, der „schon nach zwei Jahren so reden konnte, wie die Partei denkt“. Doch auch ohne Heitmann konnte Deutschmann wieder einmal beweisen, daß sein Kabarett zu den glänzendsten Programmen gehört, die man momentan in Deutschland sehen kann. Die dankbaren Zuschauer bestätigten dies mit frenetischem Applaus.
Simone Ohliger
Mikki Malör
Die Wiener Anti-Kabarettistin Mikki Malör fegte mit Geknatter und Getöse durch ihr Stück Als Maria durch ein Triebwerk ging. Diesmal präsentierte sie den Hamburgern ihre bitterbösen oder abgrundtief komischen Szenen österreichischer (und deutscher) Lebensrealität nicht wie gewohnt mit einer Ein-Frau-Bühnenshow, sondern unterstützte sich selbst mit einer Unperson, einer anachronistisch anmutenden, grau-silbernen Maschine. Die kann so Manches, Knattern und Blitzen, Popcorn und Briefe ausspucken. Wenn Mikki Malör mit ihr in unverständlichen, russisch-militärisch klingenden Wortfetzen redet, oder indem sie mit ihr und auf ihr im raffiniert konstruierten „Fick-Sitz“ agiert, wird die Maschine zum beinah' gleichwertigen Schauspieler. Dem Zuschauer wird sie in unheimlicher Weise wichtig.
Die Maschine ist Symbol für das, was die Schauspielerin, die ihre Stücke und Lieder stets selbst schreibt, komponiert und entwirft, beschreiben will: Die Zerstümmelung und das Zerhacken der Menschen durch Gesetze und dem blinden Gehorsam gegenüber Macht.
So serviert Malör manch harten Brocken, der jedoch spätestens dann schluckbar ist, wenn sie eine ihrer unglaublich witzigen Grimassen schneidet. So sitzt sie am Schluß des ersten Aktes vor der Maschine und nährt mit entblößter Brust ein niedliches Maschinenjunges: ein koboltgleiches bellendes Wesen mit Papierkorbkörper und Hut. Das Maschinenwesen wiegend, erzählt sie von der Kindheit eines Mädchens, das von ihrer Mutter brutal geschlagen wird. Doch kaum wird das Trostlose dieser hilflosen Kindheit bewußt, hat Mikki Malör - schwupps - eine Grimasse gezogen.
Katrin Wienefeld
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