: „Ein irischer Staatsmann“ in den USA
■ Besuch von Gerry Adams als Erfolg für den politischen Flügel der IRA / London: Beziehungen zu USA belastet
Dublin (taz) – Er sei „ein irischer Staatsmann und ehemaliger politischer Gefangener“, sagte der US-Kongreßabgeordnete Pete King über Gerry Adams. Talk- Show-Gastgeber Larry King von CNN stellte ihn als „Schlüsselfigur im Nordirland-Konflikt, dem längsten Guerillakrieg der Welt“, vor.
Der Präsident von Sinn-Féin („Wir selbst“), dem politischen Flügel der irischen Untergrundorganisation IRA, war am Montag in die USA gereist, um im New Yorker Waldorf-Astoria-Hotel an einer Friedenskonferenz teilzunehmen. Die US-Regierung hatte erst in letzter Minute entschieden, Adams ein Visum zu erteilen und das seit mehr als 20 Jahren bestehende Einreiseverbot aufzuheben. Das Visum war jedoch auf New York beschränkt und nur 48 Stunden gültig.
In diesen 48 Stunden beherrschte Adams jedoch die Bildschirme und Schlagzeilen. Er sagte, er setze sich für das „Ende jeglicher Gewalt in Nordirland“ ein und wolle „das Gewehr endgültig aus der irischen Politik verbannen“. Um das zu erreichen, müsse die britische Regierung aber ihren Teil beitragen. Adams nannte zum ersten Mal die Punkte in der anglo- irischen „Friedensinitiative“, die seiner Meinung nach der Erläuterung bedürfen.
Der britische Premierminister John Major und sein irischer Amtskollege Albert Reynolds hatten am 15. Dezember eine gemeinsame Erklärung verabschiedet, in der zwar das „Recht des gesamten irischen Volkes auf Selbstbestimmung“ anerkannt, gleichzeitig jedoch der protestantischen Mehrheit Nordirlands ein Vetorecht zugestanden wird.
Wenn diese Erklärung der erste Schritt in Richtung auf einen Frieden sei, sagte Adams in New York, so wolle er wissen, was der zweite und dritte Schritt sei. Er fragte, ob die britische Regierung bereit sei, die nordirischen Unionisten zu überreden, einen britischen Rückzug aus der Provinz zu akzeptieren. Außerdem seien sich beide Regierungen offenbar in der Frage uneinig, ob nach einem IRA-Waffenstillstand die politischen Gefangenen freigelassen würden, sagte Adams. Erst wenn diese Fragen geklärt seien, könne er der IRA die Vorschläge für eine Waffenruhe unterbreiten. Mit Rücksicht auf das britische Zensurgesetz wurde Adams' Stimme in der CNN-Talk- Show, die via Satellit auch in Europa empfangen werden konnte, von einem Schauspieler synchronisiert. Das schadete freilich weniger Adams als vielmehr der britischen Regierung, weil im US-Fernsehen wiederholt auf die Unsinnigkeit dieser Art von Zensur hingewiesen wurde.
In London rauften sich die Mitglieder der britischen Regierung unterdessen die Haare. Man hatte die Botschaft in den USA zu spät angewiesen, Kontakt zu den diversen Fernsehanstalten aufzunehmen, um dem Propaganda-Coup von Adams etwas entgegenzusetzen.
Auch Außenminister Douglas Hurd, der am Dienstag Al Gore in Washington aufgesucht hatte, konnte dem US-Vizepräsidenten lediglich eine windelweiche Erklärung über den „Mut und die Weitsicht von Major und Reynolds“ entlocken. Die britische Presse wertete den US-Auftritt von Adams deshalb als „schwere Belastung der britisch-amerikanischen Beziehungen“. Ralf Sotscheck
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