: Feste feiern, wenn Theater fallen
■ Das JAK begeht seinen zweiten und vermutlich letzten Geburtstag / Ein Rückblick
Wenn Jürgen Zielinski einen verhängnisvollen Fehler besitzt, dann den, zu professionell zu sein. Er mochte sich nicht damit abfinden, daß die Kulturbehörde unter einem „spielfertigen Haus“, wie zu seinem Antritt im Oktober 1991 versprochen, eine weder personell noch technisch ausreichend ausgestattete Halle auf Kampnagel verstand. Er wollte sich auch nicht dem kaufmännischen Gewurschtel des damaligen Kampnagel-Geschäftsführers Wolfram Kremer und nicht den traditionellen Hausmächten des Geländes beugen.
Und schon gar nicht wollte er einsehen, daß man das Jugendtheater finanziell wie eine kontinuierlich arbeitende Freie Gruppe behandelt. Von Beginn seiner Vertragsverhandlungen an hat Zielinski immer wieder seine eigene Person zur Disposition gestellt, wenn minimale Bedürfnisse eines Jugendtheaters nicht erfüllt werden können. Mit seiner „bissigen, hochaggressiven, tendenziell beleidigten Art“ (Selbsteinschätzung) hat er das Überleben seines Theaters über zwei Jahre gesichert, sich dabei aber viele Feinde gemacht.
Der einzige unprofessionelle Zug Jürgen Zielinskis mag sein Vertrauen in die Kulturpolitik gewesen sein, die ihn letztendlich sträflich hat hängen lassen. Aber wäre er auch in diesem Punkt konsequent gewesen, so hätte er nicht erst im letzten Oktober zurücktreten müssen und Hamburg hätte eine lange Reihe kluger Theaterabende weniger gehabt. Denn trotz aller kulturpolitischen Desaster (Kampnagel-Verschuldung 1992, vergessene Etat-Erhöhung für 1993, versagte Verselbständigung für 1994, um nur einige zu nennen) hat das kleine JAK-Team über zwei Jahre ein modellhaft innovatives und erfolgreiches Jugendtheater auf die Beine gestellt. Eine Chronik, die Samstag zum zweijährigen Jubiläum (am 6. Februar 1992 war die erste JAK-Premiere mit Speckpferde) erscheint, läßt noch einmal die eigentümlichen, brillant gearbeiteten und im besten Sinne des Wortes zeitgenössischen Arbeiten des JAK-Ensembles Revue passieren.
Doch nach der nächsten großen Produktion Heroine im Mai wird damit wohl Schluß sein. Der zukünftige künstlerische Leiter von Kampnagel Res Bosshart plant schon lange nicht mehr mit dem JAK. Er hat die merkwürdige Vorstellung, man könne das Jugendtheater als eine Sparte neben Tanz-, Sprech- und Musiktheater ohne festen Ort in den laufenden Spielbetrieb integrieren. Das Konzept dafür liegt seit längerem in der Kulturbehörde. Finanzieren möchte er dies mit dem bisherigen JAK-Etat. Eine Zusammenarbeit zwischen Zielinski und Bosshart scheint undenkbar (siehe Interview).
Die einzig verbleibende Alternative für das JAK in dieser Form wäre, wenn sich die Kulturbehörde dazu entschließen könnte, einem siechenden Privattheater den Gnadenstoß zu geben, sprich: die Subventionen zu entziehen, um auf diesem Wege dem Jugendtheater endlich ein eigenes Haus zu überlassen. Doch dazu fehlt es in der Hamburger Straße an Mut.
An dieser Stelle sei auch noch einmal daran erinnert, daß bereits lange vor der Vergabe der Hamburger Kammerspiele an Stephan Barbarino Vorschläge exisitierten, die Bühne an der Hartungstraße einem Jugendtheater zur Verfügung zu stellen. Was damals dort versäumt wurde, könnte man jetzt andernorts wieder gut machen. Doch auf kulturpolitische Vernunft mag da niemand hoffen und so müssen sich die vielen Freunde und Fans des Jugendtheaters auf Kampnagel heute abend wahrscheinlich schon einmal präventiv leise „Servus“ zuflüstern. Denn mal wieder hat Kultur für die Jugend weder eine Lobby noch Koalitionspartner noch Rechte. Nur daß sie Qualität hat, das wird ihr gerne zugestanden. Doch wenn sie sich dafür etwas kaufen will... Till Briegleb
JAK-Geburtstagsfest, heute ab 22 Uhr in Halle 4
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