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Die Ironie der Wäscheklammer

■ Ende der "Kunsthaft" für Eucker und Tielmann in der Galerie Wohnmaschine / Aktion für Konzentration und Irritation: Künstler finden Ruhe, Besucher fragen mal nach dem Sinn der Kunst

Heute abend endet die selbstverordnete einwöchige „Kunsthaft“ für Andreas Eucker und Frank Udo Tielmann in der Galerie „Wohnmaschine“ in der Tucholskystraße. Ein Zustandsbericht über das Befinden der Künstler nach dem vierten Tag:

taz: Vier Tage „Kunsthaft“ in der Galerie „Wohnmaschine“ sind vorüber – wie ist die Stimmung, wie die Moral?

Eucker: Bestens! Durch Monotonie entsteht Ruhe und Konzentration. Die Aktion hat etwas Klösterliches. Wir finden hier zu uns selbst, aber es finden auch gute Gespräche mit Besuchern statt.

Ihr habt 20.000 Wäscheklammern mit der Aufschrift „7 Tage Kunsthaft“ bedruckt. Wieso eigentlich ausgerechnet Wäscheklammern?

Tielmann: Die „Kunsthaft“ befaßt sich auch mit der Situation von Gefangenen. Wäscheklammern gehören zu den Produkten, die in Knästen und psychiatrischen Anstalten angefertigt werden. Außerdem ist die hölzerne Wäscheklammer ästhetisch gut gestaltet und funktioniert nach einem absolut einfachen Prinzip. Die Wäscheklammer besteht aus zwei Teilen, die vom Metall in der Mitte gehalten werden – so geht es uns auch: Auf der einen Seite Eucker, auf der anderen Seite ich, und in der Mitte die Kunst...

Was kosten 20.000 Wäscheklammern?

Eucker: Mit Fracht 750 Mark...

Aus den bedruckten Klammern bastelt ihr eine Skulptur, die am Samstag abend fertig sein soll. Wie wird sie aussehen?

Eucker: Die Skulptur ist uns als Kunstwerk nicht so wichtig, wichtiger ist der Prozeß der Aktion. Die Klammern werden wie ein Organismus zusammengesteckt.

Joseph Beuys hat sich einmal für mehrere Tage mit einem Koyoten eingeschlossen. Dahingegen ist eure Aktion eher ironisch zu verstehen?

Eucker: Ironie spielt in unserer Zusammenarbeit immer eine Rolle. Es ist schön, wenn Besucher ratlos nach dem Sinn der „Kunsthaft“ fragen. In einer Galerie, wo Bilder an den Wänden hängen, fragt niemand mehr nach Sinn und Zweck der Übung.

Freischaffende Künstler sperren sich selbst ein. Ist das nicht der blanke Wahnsinn?

Tielmann: Ja, aber es eine freie Entscheidung. Wir wollen uns auf keinen Fall über die Situation von echten Gefangenen lustig machen – wir wissen natürlich, daß eine Haftsituation mit unserer „Kunsthaft“ nicht zu vergleichen ist. Es geht uns um die Auseinandersetzung mit der Kunst und der Zwanghaftigkeit, die mit der Produktion und Rezeption von Kunst verbunden ist.

Was ist das angenehmste und was ist das unangenehmste bei der Haft?

Eucker: Angenehm ist die Ruhe, hier stört uns kein Telefon. Durch die Monotonie bekomme ich einen freien Kopf.

Tielmann: Unangenehm ist, daß meine Schuhe drücken, aber genervt hat mich auch eine völlig ignorante TV-Journalistin, die nur ihre Fernseh-Klischees im Kopf hatte. Die hätte uns am liebsten in Ketten und hinter Gittern gesehen.

Habt ihr früher schon mal in „Kunsthaft“ gesessen?

Tielmann: Nein, das ist ein Konzept speziell für Berlin und die „Wohnmaschine“, hier ist der geeignete Ort für die Aktion. Interview: Funken

Heute durchgehend geöffnet, danach bis 21.2.: Dienstag bis Freitag 14-19 Uhr, Samstag 11-14 Uhr, in der Galerie Wohnmaschine, Tucholskystr. 34, Mitte.

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