: Streit um die Augen des Hauses
■ Fensterln ist Politikum: Greenpeace strikt, Senat gemäßigt gegen Alu-Fenster / Hersteller kontern mit Fassadenforum / Auch Materialien von Jalousien umstritten
Als Augen eines Hauses gelten die Fenster, doch die Hersteller befürchten ein Veilchen: In Berlin soll die Anwendung von Aluminium im öffentlich geförderten Bauwesen beschränkt werden, die Hersteller wehren sich, laden zum Fassadenforum ein: „Namhafte Referenten werden sich mit Fachvorträgen zu dieser Problematik äußern“, kündigt Karl Heinz Herbert, Generalsekretär der Föderation der Europäischen Fenster- und Fassadenhersteller-Verbände, an. Im Rahmen der Baufachmesse „bautec '94“ würden die Redner am 11. Februar „auf die Konsequenzen derartiger Entscheidungen aufmerksam machen.“
Politischen Gegenwind erhalten die Hersteller durch die Umweltschutzorganisation Greenpeace: „Tropenholz-, PVC- und Aluminiumfenster bestehen aus unökologischen Materialien“, bemängeln sie und fordern die erneute Verwendung von Holzfenstern. Sollte sich diese durchsetzen, könnten davon skandinavische Anbieter profitieren. Pünktlich zu Material- Streit und Baufachmesse kündigt der Qualitätskreis Schwedischer Fenster- und Türenhersteller für die führenden Unternehmen an, deren „Bemühungen, auf dem deutschen Markt Fuß zu fassen, stärker zu koordinieren“. Die Währungslage sei günstig und biete einen Kostenvorteil von bis zu 30 Prozent. So sähen die Hersteller „große Chancen, sich an dem deutschen Baumarkt, besonders in den neuen Bundesländern, erfolgreich zu beteiligen“.
Umkämpft ist jedoch auch der Markt auf der Innenseite der Scheibe: Seit Jahren läuft der Trend weg von der Gardine und hin zu Jalousien oder Rollos. Die Jalousie ist besonders wegen ihrer stufenlosen Verstellmöglichkeiten der Lamellen beliebt, die blendfreies Licht ermöglichen. Faltstores haben ähnliche Vorzüge, und wie die Rollos wirken sie nach Meinung vieler Kunden wohnlicher. Daher bieten gerade in Berlin zahlreiche Händler bunte und individuell zusammengestellte Jalousien aus Kunststoffen und Alu an.
Doch Vorsicht: Auch Jalousien bestehen oftmals aus PVC, das mit Weichmachern und Schwermetallen versetzt ist. „Darauf weisen wir unsere Kunden auch hin“, versichert Benno Lamberg, Leiter der JalouCity-Filiale in der Wilmersdorfer Straße: „Letztlich entscheidet der Kunde, aber wir erklären ihm schon, daß PVC nicht gerade das umweltfreundlichste Material ist.“ Im Geschäft werde auch unter den Mitarbeitern oft darüber gesprochen, „wir haben schließlich jeden Tag damit zu tun“.
Erfreulich ist für Lamberg, daß sich in der Tat viele Kunden überzeugen ließen, daß Aluminium das sinnvollere Material sei. Zwar seien die Alu-Produkte etwas teurer, dafür aber haltbarer und eben ökologischer: „Es ist ein wiederverwertbarer Ersatzstoff.“
Ein Gesetz, das umweltschädliche Materialien verbietet, wenn es einen geeigneten Ersatz gibt, hätte sich der Filialleiter daher gewünscht. „Es hätte den Druck des Marktes von uns genommen“, erklärt er und trauert der verschenkten Chance nach.
Für Kunden, die sich weder mit PVC noch mit Alu anfreunden können, die aber auch dem Blickschutz der Pergamentrollos nicht trauen, gibt es das Umweltrollo: „Der Stoff besteht aus 100 Prozent ungebleichter Baumwolle, ist mit umweltfreundlichen Farbpigmenten gefärbt und lösungsmittelfrei imprägniert“, wirbt der Hersteller Hüppe Form aus Oldenburg. Die Bauteile und Materialien seien nicht nur umweltfreundlich hergestellt, sondern „auch problemlos wiederzuverwerten“. Belohnt wurde das jetzt mit dem Prüfsiegel der Münchner Arbeitsgemeinschaft Umweltverträgliche Bauprodukte. Christian Arns
Zu PVC lesen Sie bitte auch den nachstehenden Artikel.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen