: Schwarz & weiß – Geschichten aus dem neuen Südafrika Von Bartl Grill
„Wir brauchen Verstärkung.“ Wenn Bill das sagt, und wenn's um Fußball geht, dann stimmt das. Denn Bill ist Amerikaner: Turboläufer, Kämpferherz, aber technisch ungefähr so drauf wie Bundesberti. Also kicken wir mit und vertreten uns Weltmeister in Lebowa.
Lebowa? Pfui! Das ist doch eines dieser Homelands genannten Reservate, in die das Burenregime die Schwarzen gesperrt hat. Keine Regierung der Welt – außer die in Pretoria und Bayern München – erkannte sie je an. Seid beruhigt, Streiter wider die Apartheid, Lebowa und all die anderen Marionetten-Ländle existieren nicht mehr. Sie wurden vom schwarz-weißen Übergangsrat von der Landkarte gestrichen. Also können wir ruhigen Gewissens auflaufen.
Und zwar im Sturm bei Pax. Das Team heißt wie die Missionsschule, die eine belgische Bruderschaft für 500 Buben aus dem Busch gestampft hat. Die Spieler sind allesamt Lehrer, elf Burschen mit dem richtigen Glauben – katholisch – und den richtigen Trikotfarben: scharz-gelb wie die göttliche Borussia 09. Bill übernimmt die Position von Mill, der Chronist steigt in die Schläuche von Chappi. Anpfiff.
Wir merken gleich: In dem Match ist Chilli drin. Dazu muß man wissen, daß die Gegner auch Lehrer sind, und zwar von der Schule im Nachbardorf Mashiane. Als letztens der große Streik war, weil die weiße Regierung die Gehälter der schwarzen Lehrer (die viel zuwenig verdienen) nur minimal erhöhte und schwarze Lehrer hinauswarf (von denen es eh viel zuwenig gibt), da bildeten die Pauker von Mashiane die Speerspitze der Lehrerklasse. Ihre Kollegen von Pax streikten mit, bis der landesweite Ausstand zu Ende war. Die aus dem Nachbardorf machten weiter. Unterdessen war nämlich der korrupte Puppenstaat von Lebowa zusammengebrochen und kein Heller mehr in der Kasse des Erziehungsministers. Einige Pax-Lehrkräfte, die von der Mutter Gottes bezahlt werden, nicht vom Vater Staat, wollten wieder lehren. Sofort standen die Kollegen aus Mashiane vor der Pforte und drohten: Wagt es nur! Und Bill, der hier ein freiwilliges Lehrerjahr verbringt, fauchte einer an: „Ami, go home!“ So blieben auch bei Pax die Klassenzimmer leer.
Jetzt ist der Streik vorbei – bei Pax und in Mashiane. Jetzt wird auf dem Fußballplatz ein Hühnchen gerupft. 1:0 für Pax steht's nach 45 Minuten, entschieden zuwenig. In der zweiten Halbzeit rollte eine Sturmwelle nach der anderen auf das Tor der Gäste. Die Schüler sitzen unter schattigen Bäumen und feuern an. Bruder Matthew, der Ordensmann aus Pennsylvania, kommentiert die Pässe in die Tiefe des Raumes. Und die Fans der Mashianer schreien im Namen der Dose – aber das gute Castle-Bier tröstet am Ende auch nicht über die Schlappe der ihren hinweg: 7:2 für Pax – welch saftige Revanche!
Das Schönste am Spiel? Wie fair die Lehrer, die sich gestern noch an die Gurgel wollten, auf dem Rasen herumtricksten. Nach dem Schlußpfiff geht ein Zuschauer zu Bill und schüttelt ihm die Hand. „Gut gespielt“, sagt er. Es ist just derselbe, der ihn vor etlichen Wochen noch heimjagen wollte.
Hinterm Sportplatz sitzt Bruder Celeste in seiner Werkstatt zwischen Heiligenfiguren aus Gips. „Ja, ja, die Versöhnung“, murmelt er. Und malt den Mantel einer Madonna himmelblau an.
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