: „Das ist keine normale Tarifrunde“
■ Metallindustrie: Hohe Beteiligung an den Warnstreiks im Norden Von Kai von Appen
„Ooh Mannomann!“ Den Betriebsräten und Vertrauensleuten der Deutschen Airbus in Hamburg-Finkenwerder war die Überraschung ins Gesicht geschrieben. Mit etwas flauem Magen hatten sie um kurz vor 10 Uhr am Werkstor gewartet und gehofft, daß sich wenigstens 1000 MitarbeiterInnen am Warnstreik beteiligen. Doch es marschierten 6000 FlugzeugbauerInnen auf den Kundgebungsplatz. Die Airbus-Produktion kam völlig zum Erliegen.
Über 70.000 MetallerInnen in 200 Betrieben beteiligten sich nach Gewerkschaftsangaben im Norden an den Warnstreiks. In vielen Betrieben standen die Maschinen den ganzen Tag still. In Hamburg waren über 20.000 Metaller in 42 Betrieben im Ausstand. Den Vorreiter hatte in der Nacht zum Freitag Blohm + Voss gespielt. Mit Beginn der Nachtschicht (24 Uhr) legte die Belegschaft die Arbeit nieder, Streikposten zogen auf. Der Streik der 4000 Mitarbeiter ging über alle drei Schichten des gestrigen Freitags.
In Hamburg zogen die Streikenden in zahlreichen Marschsäulen zu sieben Kundgebungen. In Barmbek versammelten sich die Streikenden von Orthmann und Herbst zu einem Streik-Frühstück im Schach-Café. Andere Metaller versammelten sich vor der Jungheinrich-Zentrale oder dem Anton Philips Haus.
Auf der Kundgebung in Finkenwerder hob Hamburgs IG Metall-Vize Bernhard Janßen die Bedeutung der Aktionen hervor: „Das ist keine normale Tarifrunde“. Noch niemals sei die IG Metall einer derartigen Provokation ausgesetzt gewesen. Janßen skizzierte nochmals die Forderungen des Unternehmerverbands Nordmetall: Der wolle nicht nur die Streichung des Urlaubsgeldes, sondern auch die Anhebung der Arbeitszeit auf die 40 Stunden-Woche.
Nur wer einen ganzen Monat lang arbeitet, habe Anspruch auf seine zweieinhalb Urlaubstage. Wer zum Beispiel seinen Sechs-Wochen-Jahresurlaub im Stück nimmt, bekäme fünf Tage abgezogen. Wer drei Mal zwei Wochen Urlaub nimmt, dem würden siebeneinhalb Tage gestrichen. Krankheit oder Mutterschaft bedeuteten Urlaubsabzug. Selbst wer einen Arbeitsunfall erleidet, bekäme Urlaub abgezogen - schließlich hat er ja keinen ganzen Monat gearbeitet. Und um die Sache noch abzurunden, soll künftig Heiligabend und Sylvester voll gearbeitet werden.
Wenn die IG Metall das alles akzeptiere, sei Nordmetall bereit, den alten Lohntarifvertrag wieder in Kraft zu setzen. Im Klartext: Nullrunde! Die IG Metall fordert hingegen 5,5 Prozent mehr Lohn oder Beschäftigungsgarantien.
Hamburgs DGB-Landesbezirksvorsitzende Karin Roth wertete diese Forderung als „Erpressung“. Wenn es nämlich gelinge, so Roth, die IG Metall in die Knie zu zwingen, würden die Unternehmer mit den anderen Gewerkschaften Schlitten fahren. Sie wertete diesen Konflikt als „politischen Streik“.
Auch in Schleswig-Holstein kam es zu massiven Warnstreiks. Allein in Kiel folgten 9000 Metaller dem Gewerkschaftsaufruf und versammelten sich zu einer Kundgebung. In Elmshorn zogen die Mitarbeiter der Firma Steen vor das Privathaus von Nordmetall-Mitglied Manfred Grimm. Während die Steen-Malocher eine Mahnwache abhielten, zogen die Mitarbeiter von Grimm-Display mit einer Demo durch die Werkshallen.
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