: Dominic McGlinchey erschossen
■ Wurde der irische „Mad Dog“ Opfer einer internen Fehde der „Irischen Nationalen Befreiungsarmee“ (INLA)?
Dublin (taz) – „Er ist nicht der Typ, der in seinem Bett sterben wird“, sagte ein Dubliner Polizeibeamter vor kurzem über Dominic McGlinchey, den ehemaligen Stabschef der „Irischen Nationalen Befreiungsarmee“ (INLA). Er behielt recht: Der 39jährige wurde in der Nacht zum Freitag in Drogheda nördlich von Dublin von Unbekannten erschossen. Sein 17jähriger Sohn entkam unverletzt.
Der Mord an McGlinchey ist vermutlich noch immer nicht das letzte Kapitel in der blutigen Geschichte der INLA und ihres politischen Flügels, der „Irisch-Republikanischen Sozialistischen Partei“ (IRSP). Beide Organisationen waren 1974 aus einer Abspaltung der „Offiziellen IRA“ entstanden, weil sie deren reformistischen Kurs und die Einstellung des bewaffneten Kampfes nicht mittragen wollte. Von Anfang an wurden IRSP und INLA verfolgt: zunächst von den ehemaligen Genossen, dann von protestantischen Mordkommandos, die zahlreiche führende INLA-Mitglieder töteten.
Dennoch gelangen der INLA eine Reihe spektakulärer Aktionen, wie der Mord an Thatchers Nordirland-Experten Airey Neave, der mit seinem Auto auf dem Londoner Unterhaus-Parkplatz in die Luft gesprengt wurde. Unter der Führung McGlincheys, der 1982 Stabschef wurde, sprengte die INLA eine Kneipe im nordirischen Derry. Dabei starben 17 Menschen. 1984 wurde McGlinchey, der inzwischen den Spitznamen „Mad Dog“ erworben hatte, nach einer Schießerei in Südirland verhaftet und an die nordirischen Behörden ausgeliefert. Die schickten ihn jedoch kurze Zeit später wieder zurück, weil sie ihn aus Mangel an Beweisen nicht verurteilen konnten. In Dublin wurde McGlinchey, der sich in einem Zeitungsinterview mit seiner „direkten persönlichen Beteiligung“ an mindestens 30 Morden gebrüstet hatte, dann wegen der Schießerei bei seiner Festnahme zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt.
Der Rest der INLA-Führungsspitze folgte 1985: Dutzende INLA-Mitglieder wanderten aufgrund der Aussage eines Kronzeugen hinter Gitter. Als die Gefangenen im Dezember 1986 freigelassen werden mußten, weil der Kronzeuge offensichtlich gekauft war, hatten inzwischen andere die Führung der beiden Organisationen übernommen. Es begann ein erbarmungsloser Machtkampf zwischen den Fraktionen, der zwölf Menschen das Leben kostete – darunter auch McGlincheys Frau Mary, die 1987 erschossen wurde.
Schließlich schlossen beide Gruppen einen Waffenstillstand und reorganisierten sich: Eine Gruppe behielt den Namen INLA, die andere nannte sich „Irische Volksbefreiungsorganisation“ (IPLO). Innerhalb der IPLO kam es in den vergangenen zwei Jahren erneut zu blutigen Fehden, die der Organisation schließlich den Garaus machten. Die INLA existiert in Belfast weiterhin, verfügt aber nur noch über wenige Mitglieder. Dennoch hat sie Anfang der Woche in einer Presseerklärung angekündigt, ihre „militärische Kampagne zu verstärken“. War McGlinchey ihr dabei im Weg? Der ehemalige INLA-Stabschef hatte nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis vor einem Jahr angeblich eine neue Gruppe mit acht ehemaligen INLA-Mitgliedern aufgebaut, die sich auf Banküberfälle spezialisiert hatte. Ralf Sotscheck
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