■ Rosi Roland's wahre Geschichten: Grüner Schador-Erlaß
Politische Aktivisten an der Basis haben's schwer in unsrere kleinen Stadt, gerade in diesen Tagen. Alle Welt redet über die Sparorgien des Senats und wen es diesmal teffen wird, allüberall wird sich geärgert – und im Zweifel kriegen die armen Menschen aus den Parteien auch noch ihr Fett weg. Dabei haben sie doch in den meisten Fällen kaum was zu sagen, geschweige denn kommen sie mal in die Zeitung. Also grämen sie sich, und diese Gram treibt allerlei seltsame Blüten. Zum Beispiel:
Als die Grünen die letzte Ausgabe des Gewerkschaftsblättchens mit dem schönen Namen „Unsere Polizei“ in die Finger bekamen, da wunderten sie sich doch ziemlich. Dort stand nämlich im Bremer Teil ein „Kommentar“ des einschlägig bekannten Polizeigewerkschaft-Rottenführers Hans Schulz über die Sylvesterkrawalle auf der Sielwallkreuzung. Und Schulz, Mann der markigen Worte, geißelte auf's Heftigste den Grünen Innenpolitiker Martin Thomas und dessen Kritik am Polizeieinsatz: „Und dann kam der große Auftritt des grünen –U-Boot-Kommandanten– Martin Thomas, der offensichtlich nur nach spektakulären Polizeieinsätzen an der Oberfläche wieder auftaucht, um ungestraft unqualifizierte Sprüche zu klopfen.“ Sagen Sie selbst: Darf der Onkel das? Sollen gerade unsere Polizisten nicht Vorbild sein in dieser schweren Zeit? Noch dazu, wo unser Herr Schulz bald auch noch Revierleiter im schönen Huchting werden soll. Was das mit der Partei zu tun hat? Kommt gleich.
Also Schulz ärgert die Grünen, da war es umso verwunderlicher, daß kurz darauf dasselbe Gewerkschaftblättchen bei denselben Grünen vorstellig wurde. Die sollten eine Anzeige schalten, schließlich sei Gewerkschaftstag und die anderen würden ja auch. Da hatten die Grünen eine gute Idee. Text: „Polizisten brauchen grüne Ansprechpartner. Unser Mann für öffentliche Sicherheit: Martin Thomas.“ Und daneben das Foto vom grünen Innenpolitiker samt Telefonnummer. Klasse fand das die Fraktion, Klasse der Parteivorstand. So wird's gemacht. Und wo bleibt die Geschichte, fragen Sie. Jetzt:
Als nämlich der grüne Landesparteisprecher und Bundestagskandidus in spe Arendt Hindriksen von der Idee erfuhr, da schäumte er mächtig. Seit wann die Grünen denn Personenkult betreiben, und so ginge das aber nicht. Der Text sei ok, aber ohne Bild. Basta.
Im grünen Headquarter runzelte die Besatzung die Brauen: Der nun schon wieder! Aber andererseits hatte die Geschichte auch eine gewisse Komik. Schließlich war es Hindriksen, dessen Konterfei in einem Mitgliederinfo vom letzten Jahr Stücker dreimal auf sechs Seiten aufgetaucht war. Herstellung der grünen Broschüre: Die Firma des grünen Vorsitzenden. So kann man das Nützliche mit dem Politischen verbinden. Was die Affäre Thomas anging, wurde in der grünen Zentrale schon vom Schador-Erlaß des Vorsitzenden gewitzelt. Ob die Grünen fortan nur noch verschleiert in der Öffentlichkeit auftauchen sollten? Von wegen Personenkult.
Jedenfalls: Die Geschichte ging glimpflich aus. Als der Vorsitzende merkte, daß ihn aber auch alle doof finden mußten, da mußte er ihnen beipflichten und zog seinen Protest zurück. Martin Thomas darf also demnächst den Polizisten entgegenlächeln. Die werden sich aber freuen, iunsere Polizisten, da st sich sicher, Ihre Rosi Roland
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