: Galla gibt Bereicherung zu
■ Anklage teilweise eingestellt: „Grauen Kassen“ nicht strafbar
Ein Schritt näher zur Verurteilung: Aribert Galla hat gestern zum ersten Mal zugegeben, sich aus den „grauen Kassen“ persönlich bedient zu haben. Bisher hatte er diesen Vorwurf stets weit von sich gewiesen. Nun gab er zu, sich aus der „Reservekasse für die Klinik“ ein Auto gekauft und Rechnungen bezahlt zu haben: „Aber ich wollte es gleich wieder zurückzahlen.“
Inzwischen sind mehrere Anklagepunkte aus der Verhandlung ausgegliedert und vorläufig eingestellt worden. Darauf einigten sich beim gestrigen fünften Prozeßtag Richter, Staatsanwalt und Verteidiger. Der Vorschlag zu dieser Maßnahme kam vom Gericht, das sich nunmehr auf die wirklich interessanten Anklagepunkte konzentrieren will. Staatsanwalt Volker Dützschhold betonte, er könne mit dem Kompromiß leben: „Ich habe keine Abstriche bei meinem Ziel gemacht, Galla eine persönliche Bereicherung nachzuweisen.“
Das Gericht hatte dem Staatsanwalt keine große Wahl gelassen: Der Vorsitzende Richter Kurt Kratsch hatte mitgeteilt, das Gericht sähe wenig Chancen, die ganze Latte von Vorwürfen gegen Galla als „Fortsetzungszusammenhang“ zu begreifen, also in allen Fällen von Schmiergeld-Annahme durch Galla während seiner Amtszeit von 12 Jahren eine einzige Tat zu sehen. Wäre ein solcher Zusammenhang aber nicht gegeben, wären die ersten Taten nach mehr als zehn Jahren inzwischen verjährt.
Eingestellt wurden mit dem Kompromiß auch die Vorwürfe gegen Galla wegen Betreibens der „grauen Kassen“. Ob diese Art der Umwegfinanzierung nämlich strafbar war, ist auch für den Staatsanwalt nicht mehr sicher: Es fehlt an einem direkt Geschädigten und schließlich war diese Finanzierung gängige Praxis.
Drankriegen will Staatsanwalt Dützschhold den Angeklagten Galla aber immer noch wegen Bestechlichkeit und Untreue. Dafür muß erwiesen sein, daß Galla Geld aus den „Grauen Kassen“ für sich verbrauchte. Dazu wurden gestern die ersten Schritte getan.
Den Showdown der „Schwarzgeldklinik-Affäre“ im Sommer 1990 schilderte Galla so: Nach seiner Entlassung als Klinikchef sei er mit dem Geld in Jersey „nicht recht froh geworden“. Senator Scherf und Ex-Senator Brückner hätten, von ihm auf das noch ausstehende Geld angesprochen, mit Unwillen reagiert: „Das ist Deine Sache, damit will ich nichts zu tun haben“ , habe Scherf zu ihm gesagt. Also sei er nach Jersey gefahren, um das Geld in Bremen „auf den Tisch zu packen.“ Bei seiner Rückkehr nach Frankreich wurde er mit fast 100.000 Mark in der Tasche verhaftet und bedachte noch aus der Haft seine Freundin und seine Frau mit insgesamt etwa 80.000 Mark. Auch dies war nach Galla kein Versuch, das Geld zu retten: „Wenn ich es wirklich hätte verschwinden lassen wollen, hätte ich das Geld nicht nach Jersey auf eine Bank und nicht an meine Frau geschickt.“ Insgesamt, rechnete die Kripo gestern vor, flossen nach Gallas Verhaftung 739.384 Mark und 71 Pfennig an die Landeskasse Bremen zurück.
bpo
Fortsetzung: Mittwoch, 23.2., Saal 218 Landgericht, 9 Uhr, Zeuge Herbert Brückner
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