■ Das Portrait: Michael Merkel
Einst gehört die schwarze Baskemütze samt schwarz- rotem Stern zu seinem Markenzeichen. Links, autonom und frei. Wenn die Realsozialisten vom MSB-Spartakus, dem früheren Studentenverband der SED-Zwillingsschwester DKP, 'mal wieder während einer Vollversammlung an der Bochumer Ruhruniversität Mitte der siebziger Jahre ein Redeverbot für die „reaktionären RCDSler“, der CDU-Nachwuchsriege, forderten, dann ging Merkel zum Leidwesen so macher Genossen dazwischen. „Freiheit ist immer die Freiheit des Andersdenkenden“, dieser Satz von Rosa Luxemburg, war ihm schon damals lieb und teuer.
Die Rolle des „Andersdenkenden“ fiel Merkel, Gründungsmitglied der Grünen, später selbst zu. Im traditionell linken, grünen Landesverband in Nordrhein- Westfalen zählte der frühe Realo und „Ökolibertäre“ schon bald zur nonkonformistischen Minderheit. Als fairer Versammlungsleiter von Parteitagen bei allen Fraktionen wohlgelitten, kassierte er immer dann deftige Niederlagen, wenn es um Mandate und politische Macht ging. Erst im Osten wendete sich das Blatt. Jetzt soll Merkel für das Bündnis 90/Die Grünen das Öberbürgermeisteramt in Dresden erobern. Merkel, Sozialökonom und Verwaltungswissenschaftler, lebt und arbeitet seit 1990 in Sachsen. Zunächst in der Kleinstadt Döbeln, später in Leipzig. Gut zwei Jahre lang diente er dem dortigen SPD- Oberbürgermeister als eine Art Stabschef, bevor er im letzten Jahr zum Amtsleiter der städtischen Kämmerei aufstieg.
OB-Kandidat für Dresden Foto: Peter Gramser/Aspect
Die Entscheidung zugunsten des Ortsfremden begründet der bündnisgrüne Ratsfraktionschef Peter Zacher so: „Dresden braucht einen Oberbürgermeister mit Sachkenntnis und Professionalität. Deshalb haben wir einen Verwaltungsprofi gesucht.“ Merkel sei der „ideale Mann“. Weil Umfragen den CDU-Amtsinhaber Herbert Wagner im tiefen demoskopischen Keller sehen, sprechen die Bündnisgrünen von „realen Chancen“ für ihren Mann. Nach dem christdemokratischen „Landesvater“ Kurt Biedenkopf gewänne mit Merkel dann ein zweiter NRWler Macht und Einfluß in Dresden. Mit Biedenkopf teilte der OB in spe einst denselben Hörsaal in Bochum – der eine als konservativer Professor, der andere als linksradikaler Student. Walter Jakobs
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