: Katzenzauber
■ Klavierduo Katia und Marielle Labèque mit Russischem in der Musikhalle
Schön sind sie und die Besten ihres Faches, die Schwestern Katia und Marielle Labèque, die im Rahmen der Pro Arte-Konzertreihe in Hamburg zu Gast waren. Im musikalisch sonst oft recht biederen Pro Arte Zyklus, gab es jetzt reichlich Entschädigung, optisch zumindest.
Die Geschwister Labèque sind das zur Zeit erfolgreichste Klavierduo. Rechtzeitig erkannten sie, daß ein Klavierduo Originelles eher im Repertoire des 20. Jahrhunderts findet, als im klassisch-romantischen Repertoire. Ihr Herz schlägt für den Jazz. Nicht ohne Grund gehören Strawinskys Le Sacre du Printemps und Leonard Bernstein Tänze aus der West Side Story zu ihren Markenzeichen. Doch auch klassisch-romantisches Entertainment ist ihnen nicht fremd. Wer schrieb schöne Melodien zum Wohlfühlen? Natürlich Tschaikowsky. Sein slawischer Marsch, noch vom Pathos strotzend, wirkte bei den Labèques fast schon etwas komisch. Witzige Akzente und Phrasierungen entzauberten den Marsch zur Tom und Jerry-Nummer. Scriabins Fantasie für zwei Klaviere huschte etwas schnell vorüber, schwermütig-voluminös und etwas zäh. Dann wieder ein Gassenhauer: Tschaikowskys „Capriccio italien“. Die Zeit war reif für Katias Sinnlichkeit. Wie ein verliebtes Kätzchen (ganz in Lila) schnurrte sie die Melodien jazzig-sinnlich dahin, streichelte pfotengleich die Tasten, warf den Kopf zurück, wippte auf dem Klavierhocker hin und her, und wäre sie auf den Flügel gesprungen, hätte es ihr niemand übel genommen. Das Finale wie gehabt: Der Schlußakkord wird wie ein Schmetterball genommen und Katia, das Wildkätzchen, hüpft in die Luft. Marielle, die ernste und etwas zurückhaltende Schwester, verfolgte das Spiel mit schwesterlicher Liebe und pianistischer Unterstützung. Die Suite aus Dornröschen, drei Tänze aus Schwanensee und der „Blumenwalzer“ beendeten den seriösen Teil des Abends.
Wilder Beifall, der natürlich auf die berühmten Jazz-Encores der Labèques spekulierte. Und plötzlich sind wir in einem Jazzclub, denken die Damen und Herren und wippen schüchtern mit den Köpfen, tippen rhythmisch auf die Armlehne. Bei Scott Joplins „Entertainer“ wurde dann auch kräftig gejauchzt. Wenn dann auch noch Katia kokett die Beine kreuzt und lässig-dösig die Tasten tätschelt, hat sich der wilde Abend offenbar gelohnt. Die Labèques sind trotzdem die Besten.Sven Ahnert
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen